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Mit hundert Wassern gewaschen

■ Der Seemann und Maler Heiner Palinkas /Ausstellung in Bremerhaven

Der 80-jährige Bremerhavener Heiner Palinkas ist die längste Zeit seines Lebens gleichzeitig Seefahrer und Maler gewesen. Aber mit dem Titel „seefahrender Maler“ will er sich nicht abspeisen lassen. Der hagere große Mann gehört nicht zu den maritimen Hobby-Künstlern, die mit liebevoller Kunstfertigkeit naive Blicke auf ferne Gewässer werfen.

Lieber nennt sich Heiner Palinkas wie seine Ausstellung im Bremerhavener Schiffahrts-Museum „Seemann und Seh-Mann“. Das eine mußte er machen, um seine Familie ernähren zu können. Das andere blieb seine professionell betriebene Leidenschaft.

Palinkas lernte Schilder- und Schriftenmaler. Der Student an der Bremer Kunstgewerbeschule gerät u.a. wegen seiner Weigerung, dem Nazi-Studentenbund beizutreten, in die Fänge der Gestapo und wird vom Studium ausgeschlossen. Daraufhin läßt er sich zum Funker ausbilden. Bei der Kriesmarine wird er zur „Frontbewährung“ bei einem U-Boot-Todeskommando eingesetzt, weil er Ringelnatz weiterempfohlen hatte.

Nach turbulenten Nachkriegsjahren auf Fischdampfern und an der Münchner Kunstakademie fährt Heiner Palinkas wieder als Funker zur See. Auf Ostasien- und Amerika-Fahrten in den 50er und 60er Jahren malt er in jeder freien Minute: Menschen und Landschaften. So entstehen Ölbilder, Auarelle, Kreide-, Bleistift-, Rohrfederzeichnungen, Radierungen und Holzschnitte. In Sydney lernt Palinkas das Aktzeichnen. Nachts sitzt er in den Hafenkneipen und zeichnet „nach dem 10. oder 12. Drink ganz impulsiv“ die Frauen, die ihm gefallen (und hält sie nebenbei in frechen Seemannsliedern fest). Diese Ölkreide-Skizzen gehören zu den lebendigsten Arbeiten der viel zu eng gehängten Bilderflut im Schiffahrts-Museum.

„Mädchen aus der Blue- Moon-Bar“ (La Libertad/El Salvador), „Bushaltestelle in Santos“ (Brasilien), „Regenboe über Cottica-River“ (Surinam), „Strand in Bahia“: Die Lust an fremden Welten und farbigen Menschen strahlt aus diesen Bildern, die mit ihren leuchtenden kantrastierenden Farben und ihren poetischen Namen den bitteren Worten des Künstlers widersprechen. Die Seefahrt hält er gern für sein Verhängnis, auch auf die Stadt ist er nicht gut zu sprechen, die ihn nach dem Krieg hängengelassen hat. „Bremerhaven ist nicht einmal ein Dschungel“, sagt er. „Ein Dschungel blüht und ist üppig, aber hier ist Wüste.“ Dann jedoch räumt er ein: „Hier bin ich geboren, bin zurückgekehrt, wo soll man auch noch anders hin?“

Zum Abschied zitiert der Seh- Mann sich selbst:

So heißt es in einer seiner Karikaturen, die er für seine eigene Seemanns-Zeitung textete und zeichnete: Ein ironisches Verslein auf verunsicherte Seemans- Psychologen, die in den 60er Jahren erkunden sollten, warum denn plötzlich kein Junge mehr zur See fahren wollte. Hans Happel

Deutsches Schiffahrts-Museum Bremerhaven, bis 12.9.

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