piwik no script img

"Kleine Autos kommen"

■ Umweltminister Klaus Töpfer sieht die Autoindustrie auf gutem Weg / Töpfer hat keine Bedenken gegen das Endlager Morsleben

taz: Sie sind jetzt seit sechs Jahren Minister, was bleibt, was ist Ihr größter Erfolg?

Klaus Töpfer: Ich glaube, wir haben auf drei Ebenen ein vernünftiges Konzept entwickelt. Zum ersten: den Umbau der sozialen Marktwirtschaft zu einer ökologischen Marktwirtschaft. Die Preise müssen jetzt auch die Knappheiten der Umwelt mit erfassen. Da setzen wir alles daran. Die Strukuren von heute sind doch vor allem der Reflex der Preise von gestern. Dieser Umbau ist die entscheidende Aufgabe für die Überlebensfähigkeit der Marktwirtschaft. Zweitens haben wir uns bemüht, in der EG die Umweltpolitik aus der Dornröschenrolle herauszuholen. Wir sind dabei ein gutes Stück vorangekommen. So weit, daß wir nach der Wiedervereinigung manchmal wirklich hart arbeiten müssen, um den Anforderungen aus Brüssel gerecht zu werden. Zum dritten haben wir die globalen Umwelt- und Entwicklungsthemen maßgeblich mitbestimmt. Ich rede also nicht von punktuellen Erfolgen, das ist ein Konzept, daß noch nicht voll umgesetzt ist.

In der vergangenen Woche haben Sie den ersten deutschen Klimaschutzbericht vorgelegt. Aber wo bleiben die Taten? Die im Bericht festgestellte Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen ist doch keine Folge Ihrer Politik, sondern des wirtschaftlichen Zusammenbruchs im Osten.

Diese Einschätzung teile ich nicht. Jeder sagt mir, in der ehemaligen DDR dürfen wir nicht die Fehler des Westens wiederholen. Und nun versuchen wir zu vermeiden, sorgen dafür, daß statt 320 Millionen nur noch 120 Millionen Tonnen Braunkohle gefördet werden. Wo sonst könnten wir gegenwärtig Kohlendioxid-Emissionen so weitgehend zurückführen und dafür sorgen, daß sie auch so niedrig bleiben.

Und wo bleibt der Strukturwandel im Westen? Dort sind im Jahr 1992 doch 21 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr in die Luft geblasen worden als noch im Jahr 1987.

Aber auch dieser Anstieg war doch extern bedingt. In Bundesrepublik West lebten 1992 fast 3,7 Millionen Menschen mehr als fünf Jahre zuvor, gleichzeitig hatten wir einen Wirtschaftsboom. Diese Zuwanderung mit ihren Problemen wird sich nicht wiederholen.

Lenkt der Hinweis auf das Bevölkerungswachstum nicht ab? Außer im Verkehrsbereich sind auch im Westen die Emissionen leicht zurückgegangen. Beim Verkehr aber sind sie deutlich gestiegen. In Ihrer Politik läßt sich nicht erkennen, was dort die Trendwende bringen könnte.

Wenn wir innerhalb von drei Jahren die Mineralölsteuer um 40 Pfennige erhöht haben ...

Vor zwei Jahren haben sie der taz gesagt, daß Preissteigerungen beim Benzin schon utopisch hoch sein müßten, um eine Wirkung auf den Verbrauch zu haben ...

Langsam. Wir können doch die Spritpreise nicht von einem Tag auf den anderen von 1,80 Mark auf 4 Mark erhöhen. Das wäre eine Kapitalentwertung im ländlichen Raum. Also müssen wir die Preise schrittweise erhöhen.

Gut. Kündigen Sie jetzt an, 20 Pfennige mehr für den Liter Benzin – jedes Jahr bis zum Jahr 2005?

Eine solche Ankündigung stellt doch die Wirksamkeit der Preiserhöhung schon wieder in Frage. Ich weiß doch nicht, in welcher inflationären Situation wir uns dann jeweils befinden. Es reicht doch, daß der Bürger generell weiß, der Individualverkehr wird stetig teurer.

Wieso? Die Wirtschaft will doch verläßliche Rahmenbedingungen, was wäre verläßlicher als eine regelmäßige Mineralölsteuererhöhung.

Aber Daimler hat doch auch ohne eine solche Ankündigung schon verinnerlicht, daß der Autoverkehr teurer wird. Aus dem Haus mit dem guten Stern kommt jetzt ein Auto, daß so in die Größenordnung eines alten Gogo fällt. Ich bin überzeugt, die Weltmärkte im Autobereich werden künftig die Weltmärkte des kleinen verbrauchsarmen Autos sein. Daran wird sich die exportorientierte deutsche Autoindustrie orientieren. Ob ich hier Preise erhöhe oder nicht.

Ökologische Verkehrspolitik kann nicht nur auf kleinere Autos und teureren Sprit setzen, sie muß auch auf die Vermeidung von Verkehr setzen. Im Klimabericht, in dem sich die klimapolitischen Pläne der Regierung finden sollen, habe ich vergeblich nach solchen Ansätzen gesucht.

Wenn man in jedem Bericht alles wiederfinden müßte ... Wichtig bleibt mir die Veränderung der Verkehrsträgerwahl. Der Einsatz der Mineralölsteuer, um die Bahn leistungsfähiger zu machen, war ein Schritt in diese Richtung. Verkehr vermeiden kann man langfristig eben auch über Preise. Zeige mir deine Siedlungsstruktur und ich sage dir, wie billig dein Benzin ist. Die jetzt entstandene arbeitsteilige, viel Verkehr fordernde Wirtschaft läßt sich kurzfristig aber nicht wieder zurückdrehen. Ford in Saarlouis bekommt den Motor fürs Auto eben aus Gent geliefert, andere Teile stammen aus England und Spanien. Solchen Verkehr kann man nicht einfach sparen. Ich wäre doch ein Scharlatan, würde ich sagen, die Verkehrsvermeidung ist morgen die Lösung unserer Probleme.

Nicht nur Umweltschützer, auch Manager, gerade aus der chemischen Industrie sind Ihnen in letzter Zeit häufiger an den Karren gefahren. Herr Kley von BASF beispielsweise hat Sie als Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland beschrieben. Adelt Sie das?

Ich bin keine Mimose und durch Kritik nicht zu knicken. Die Kritik zeigt doch auch, daß wir umweltpolitisch etwas bewegt haben müssen, daß wir wirklich an die Sustanz gegangen sind. Wir haben Umweltkosten wieder internalisiert. In der Krise fragen die Unternehmen dann natürlich, ob denn so viel internalisiert werden sollte.

So viel Geld wird aber doch gar nicht ausgegeben. 30 Milliarden Mark im Umweltbereich, davon knapp zwei Drittel von Unternehmen. Die Umweltschäden liegen gleichzeitig bei 200 bis 600 Milliarden Mark, je nachdem, welche Schätzung man heranzieht.

Weil 500 Milliarden Mark an Schäden entstehen, müssen wir doch keine 500 Milliarden für den Umweltschutz ausgeben. Die Schäden müssen statt dessen vermieden werden. Wenn sich die Beseitigung betriebswirtschaftlich rechnet, müssen die Unternehmen darüber informiert werden. Und wenn sich die Beseitigung von Schäden volkswirtschaftlich rechnet, betriebswirtschaftlich aber nicht, fühle ich mich als Politiker in die Pflicht genommen. Meine zentrale Aufgabe ist dabei, in die Investitionszyklen der Unternehmen den Umweltgedanken miteinzubringen. Deswegen ist es leichter, Umweltpolitik in einer wachsenden Wirtschaft zu machen.

Gerade in der Krise braucht es doch ökologische Innovation.

Ökologische Innovation braucht auch Geld. Je älter der Kapitalstock einer Volkswirtschaft ist, desto umweltunverträglicher ist er. Das zeigt das Beipiel DDR, das war doch ein Industriemuseum. Wenn das Geld fehlt, wird nur der alte Kapitalstock weiter auf Verschleiß gefahren.

Wie in Morsleben. Dort betreibt der Bundesumweltminister eine alte DDR-Atommüllkippe weiter, weil er keine neue hat. Kann man denn dort Atommüll einlagern, wenn man nicht weiß, ob Morsleben sicher ist.

Wenn man nicht weiß, daß es sicher ist, dann kann man nicht einlagern.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat aber Sicherheitsbedenken gegen Morsleben.

Das ist nicht zutreffend. Das Bundesamt und auch meine Behörde sind der Meinung, daß schwachradioaktive Abfälle in gewissem Umfang dort eingelagert werden können. Wir haben dazu Gutachten eingeholt und eine Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission (RSK). Ich habe nach der Wiedervereinigung veranlaßt, daß die Gesellschaft für Reaktorsicherheit eine umfangreiche Sicherheitsanalyse von Morsleben vornimmt. Das ist die Bewertungsgrundlage für die RSK. Und die RSK kommt zu dem Ergebnis, daß diese begrenzten Einlagerungen von Atommüll verantwortet werden kann.

Im neuesten Fachgutachten für das Bundesamt heißt es, daß in Morsleben „nur unzulänglich wirksame Barrieren zwischen dem Endlager und der Biospäre existieren“. „Bevor über weitere Einlagerungen entschieden wird“, sollten „zunächst weitere wissenschaftliche und technische Untersuchungen“ vorgenommen werden. Ihre Reaktorsicherheitskommission hingegen hat nie Felduntersuchungen gemacht. Sie hat nur alte Analysen neu bewertet.

Das sind Ihre Aussagen. Es gibt eine klare Äußerung des Bundesamtes zur Sicherheit der Einlagerung, und die deckt sich mit der Einschätzung der RSK und meiner Behörde. Die RSK hat auf Grund ihres Sachverstands die Qualifikation, sich zu vorliegenden Informationen abschließend zu äußern.

Ist das Atommüllager Morsleben auch nach dem Jahr 2000 noch sicher?

Die Einlagerungen sind zunächst bis zum Jahr 2000 begrenzt. Aber natürlich ist es nach dem Jahr 2000 sicher für den Atommüll, der bis dahin abgelagert wurde. Für die Zeit nach dem Jahr 2000 haben wir ein neues Planfeststellungsverfahren schon beantragt, dafür wird die Sicherheit des Endlagers noch einmal zu belegen sein. Dieses Vorgehen unterstreicht, daß wir – was die Eignung des Endlagers betrifft – unserer Sache sicher sind.

Aber wenn für das Planfeststellungsverfahren die Sicherheit von Morsleben neu überprüft wird, könnte man doch heute mit den Einlagerungen auf das Ergebnis dieser Überprüfungen warten.

Wissen Sie, ich will Sie nicht überzeugen. Sie haben Ihre Meinung, ich habe meine. Interview: H.-J. Tenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen