: Was treibt Scherf zum Vorsitz?
■ Hinter verschlossenen Türen reformiert sich die Bremer SPD von oben
An diesem Wochenende wird die Findungskommission der SPD über der Frage brüten, wer denn als Kandidat für dieses Amt vorgeschlagen werden soll, das Ilse Janz, Horst Isola und Konrad Kunick zum Schleudersitz werden ließen. Niemand wird sich trauen, seine Gedanken darüber auszubreiten, was den Bildungssenator Scherf dazu treibt, sich als Kandidat vorzustellen.
Der SPD-Landesvorsitz ist ein typischer Aufstiegs-Posten für junge Genossen. Scherf war es zu Beginn seiner Karriere. Sollen wir glauben, daß er sich jetzt nur für die Partei (und für Wedemeier) opfert?
Man muß aber wissen, daß die Personalkrise um Wedemeier in diesem Sommer damit begann, daß der Bürgermeister seinem Parteivorsitzenden Kunick gegenüber andeutete, er werde möglichweise 1994 zurücktreten. Die Bundesrats-Präsidentschaft ist für Wedemeiers Selbstwertgefühl wichtig. Die wäre eine Krönung seiner Karriere, und mit dem Wahlergebnis 1995 könnte es nur abwärts gehen.
Kunick war entsetzt und berichtete den SPD- Delegierten, die von Wedemeiers Bemerkung nichts wußten, was er dem Bürgermeister gesagt hat: Entweder muß er sofort einem Nachfolger Platz machen oder sich verpflichten, der SPD im Wahlkampf 1995 bis zum bitteren Ende zu dienen. Was dann kam, ist bekannt.
Für den 54jährigen Sozalpolitiker Scherf ist als Bildungssenator unter dem Sanierungs-Kreuz wenig zu holen. Das Angebot, den maroden „Karren“ SPD zu ziehen, bedeutet ihm einen ehrenvollen Abschied aus dem Senat. Aber nicht nur das. Falls Wedemeier doch 1994, etwa nach verheerenden Umfragen oder verheerenden Bundestags-Ergebnissen, eine erneute Bürgerschaftswahl- Niederlage nicht auf seine Kappe nehmen will, dann würde ein Kandidat von „innen“ gesucht. Als Landesvorsitzender, der sich geopfert und ein Jahr lang alle Parteigremien integriert hat, hätte Scherf größte Chancen.
Gegen Wedemeier arbeitern würde Scherf nicht. Deshalb ist Wedemeier das derzeit egal, er hat unmittelbare Sorgen. Die Fraktionsführung muß aufgemischt werden. Wenn Dittbrenner in den Senat käme, gäbe es einen Bausenator und der Sitzungsgeld-Ritter Detmar Leo könnte auf der Position des Fraktionsvorsitzenden stillgestellt werden. Barsuhn muß weg, Sakuth muß eine Gehaltsklasse aufgerückt werden. Man sieht: Ein Personalkarussell bietet vielfache Chancen. Wenn Scherf sich zum SPD-Landesvorsitzenden opfert, wäre die Senatsumbildung zwingend, ohne daß man jemandem zu nahe treten muß. Rosi Roland
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