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■ Kinderkram: Eine PVC-Dame ist die „begehrteste Traumfrau der Welt“Die unvergleichlich vollbusige Plastikschönheit

Da hatten sie alles, Plüschtiere in jeglicher Größe, pädagogisch wertvolle Brettspiele, den hölzernen Bauernhof mit grünen Kühen, blauen Schafen und einem roten Hund – selbst die Matchbox-Autos durften im Sortiment nicht fehlen. Und dennoch quengelten die Töchter meiner Freundin. Dabei hatte sich die feministisch angehauchte Mutter redlich gemüht, der geschlechtsspezifischen Erziehung ein Schnippchen zu schlagen. Und doch oder gerade deshalb: der Traum eines jeden Mädchens nahm immer vehementere Formen an. Wie stand man denn da, wenn die anderen Mädchen in der Schule von den immer neuen Verwandlungskünsten der eigenen Plastikschönheit erzählten?!

Die Oma – seit Urzeiten Boykotteuse jeglichen Erziehungsideals – unterwanderte auch den Beschluß meiner Freundin. Der mütterlich- entsetzte Protest half gar nichts. Wie selbstverständlich hielt sie endlich Einzug ins Kinderzimmer: Die unvergleichlich vollbusige Plastikschönheit aus den USA, die Barbiepuppe.

„Später will ich mal Prinzessin werden“, verkündete die Jüngere im Brustton der Überzeugung einer Fünfjährigen. Und Prinzessinnen ähneln halt einfach nicht dem Gemeng aus Stoff und Stroh, was zu Zeiten unserer Mütter und Großmütter noch Käthe Kruse hieß. Zu Prinzessinnen paßt es einfach eher, von Kopf bis Fuß auf Plastik eingestellt zu sein. Die Vorzüge sind nicht zu übersehen: da gibt's kein angelutschtes gammeliges Outfit. „Schon Mitte Dreißig ist sie, doch das sieht ihr niemand an. Kein Fältchen verrät ihr Alter“, tönt es denn auch aus der Branche der Plaste und Elaste. Ein Glanzstückchen westdeutscher PR-Arbeit, mit dem da die „AG PVC und Umwelt“ sommerloch-geplagten RedakteurInnen den ältesten und bekanntesten Puppen-Plastikramsch der neuen Welt schmackhaft machen will. Denn immerhin: „ihre schöne Haut“ (O-Ton, PR), glatt und ohne Makel, verdankt Barbie allein Polyvinylchlorid. Bei Produktion und Entsorgung entfleucht zwar auch der Barbie Dioxin, doch wen kümmert's, wenn unsere Kleinen nur beizeiten lernen, wie Weibchens Dasein formvollendet schön sein kann.

Denn „anders als knuddelige Babypuppen“ ist „die begehrteste Traumfrau der Welt“ eine echte Frau – „mit allen Details“. Spitzbusig, wohlproportioniert, wespentaillenschlank und vor allem – langbeinig. In Hochzeitstüll gehüllt ähnelte sie tatsächlich ein wenig Prinzessin Di – damals, als das englische Glück noch in den zarten Anfängen weilte. Wenig später war adeliger Pomp schon wieder out. Grell geschminkt und in Neonfarben kam Disco-Barbie daher, sportlich im Tennisdress Klein-Stefanie-Graf. Und dann mußte natürlich irgendwann noch das männliche Pendant hinzustoßen – Ken heißt der Knabe, natürlich muskulös und breitschultrig, auf das sich die blondgeschopfte Schönheit anschmiegsam seinem starken Arm hingeben kann. Bald füllten Barbies in unterschiedlichen Größen mitsamt ihrer individuellen Garderobenstaffette das Kinderzimmer: Freizeit- und Sportdress, Abendkleid und Smoking, Handtäschchen, Sonnenbrille und andere Assecoires füllten Schachteln und Kästchen. Und zum dreißigsten Geburtstag der Plastefrau griff gar Carl Lagerfeld, der Herr mit dem Schwänzchen, zu Tuch und Seide und hüllte die PVC-Dame ins Designermodell.

Mittlerweile – die Zeiten ändern sich und werden immer TV-höriger – kommt auch Barbie im Out-Fit von TV-Schönheiten daher. „Beverly Hills 90210“ heißt der neuste Kinder-Kult im Nachmittagsprogramm. Und deren Stars genießen derzeit in PVC gepreßt höchstes Ansehen.

Doch Beverly Hills schöne Menschen – selbst auf dem Bildschirm haben die jugendlichen Stars aus Fleisch und Blut verdammte Ähnlichkeit mit Plastikpuppen – fanden den Weg ins Kinderzimmer nicht mehr. Als die Töchter meiner Freundin das zarte Alter von 13 erreichten, war Barbie dann wieder out. Auch der breitschultrige Ken taugte nichts mehr und landete in einer Kiste für abgelegtes Spielzeug. Vielleicht also doch ein unbeabsichtigt feministischer Lernerfolg? Frei nach dem Motto: Taugt der Geliebte nichts mehr, stopf ihn einfach in 'ne Schublade... flo

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