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Wie eine rot-grüne Koalition funktionieren soll

■ Die angeblichen Kern- und/oder Knackpunkte Hafenstraße, Elbtunnel, Altenwerder und Unterelbvertiefung müssen kein unüberwindliches Problem für eine rot-grüne Stadtregierung sein   Von Florian Marten

Krista Sager als Domina, Voscherau als Fußabtreter-Maso, oder, umgekehrt, Henning als Herrenreiter mit Peitsche und die Grünen als junge jaulende Hunde, die sich gerne das Fell über die Ohren ziehen lassen – Debatten über die nicht ganz unwahrscheinlichen rot-grünen Koalitionsverhandlungen enden nicht selten in verbal ausschweifenden Phantasien. Die Hamburger Morgenpost sah – wie gewohnt schlecht unterrichtet – die GAL kürzlich schon als grünen Krötenfresser und kolportierte das Gerücht, die GAL werde alles schlucken, was ihr die SPD in einer Koalitionsvereinbarung in den Freßnapf lege.

Stadtchef Henning Voscherau treibt die gegenteilige Sorge um. Der taz gestand er, er fürchte ein „Ja“ seiner Partei zu einer denkbaren Koalitionsvereinbarung, mit Zugeständnissen an Grüne Trophäensammler, die er nie und nimmer verantworten könne. In einem wenigstens haben Voscherau und Mopo recht: Verkehr, Hafen und Wirtschaft würden im Fall des Falles gewichtige Koalitionsthemen. Voscherau sorgte bereits vor, indem er jene Gewerkschaftsbosse, die – zum Beispiel als Mitglieder der SPD-Bürgerschaftsfraktion – leicht beeinflußbar sind, öffentlich für Hafenerweiterung und Elbvertiefung Stellung nehmen ließ. Selbst der Voscherau bis zur persönlichen Animosität verhaßte ÖTV-Chef Rolf Fritsch läßt auf Hafen, Altenwerder und Elbschlick nix kommen.

Strategen in SPD und GAL sowie einige externe Ratgeber basteln dagegen inzwischen an Konzepten, die auf einer ganz anderen Linie liegen. Ausgangspunkt ist allerdings, da sind sich alle hinter den Kulissen einig, daß SPD und Grüne nach der Wahl nicht auf öffentliche Demütigung des Koalo-Partners und protzige Siegesparaden für ihre jeweilige Anhängerschar aus sind. Eine Insiderin: „Wir dürfen uns nicht in Schaukämpfen und Schwarze-Peter-Spiele verzetteln.“ Für echte rot-grüne Gemeinsamkeiten auch in scheinbar völlig kontroversen Fragen sei der Boden nämlich bereits viel besser vorbereitet, als viele glaubten.

Beispiel Hafenstraße: Hamburgs Wirtschaftsbosse bestehen längst nicht mehr auf der Ausradierung des „Schandflecks“. Sie fürchten sogar, eine neue Zuspitzung könne die derzeit so ruhige und touristenfreundliche Szenerie am Hafen erneut zum Wallfahrtsort für Autonome und, viel schlimmer noch, für die immer mächtigere Neonazi-Szene machen. Runde Tische, ein bißchen Sozialwohnungsbau in den Lücken zwischen den Häusern, vielleicht sogar nach einer Architektur, die diesen Namen verdient und ein gesichtswahrender Ausstieg aus dem Kündigungs-/Räumungs-/Bürgerkriegsszenario – so könnte die Lösung aussehen.

Nicht ganz so einfach geht es bei den Milliarden-Projekten Hafen-Querspange, Elbtunnelröhre, Elbvertiefung und Hafenerweitung in Altenwerder. Die Grünen wissen, daß das schwindsüchtige Stadtsäckel diesen ökologisch wie ökonomisch absurden Projekten schon finanziell den Garaus machen könnte. Andererseits wissen sie auch, daß die SPD, anders als bei der Totgeburt Mehrzweckhalle, die Todesanzeigen keinesfalls schon jetzt verschicken kann. Ein grüner Spitzenfunktionär: „Wenn wir denen das alles wegnehmen, dann sind die bei der Wirtschaft total unten durch. Eine derartige Blamage können wir denen nicht zumuten.“

Dabei könnte eine Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung, die aus der Not der knappen Mittel eine zukunftsweisende Hamburger Tugend macht, so kürzlich sogar Alt-Kanzler Helmut Schmidts (!!) Zeit, ein stabiles Fundament für eine echte politische Vernunftehe zwischen Rot und Grün sein. Männer wie Henning Voscherau und Eugen Wagner, die Wohlstand und Wachstum immer noch mit Beton und Bauen verwechseln, bedürfen freilich zartfühlender Hilfe, sollen sie auf jenen aussichtsreichen Pfad gelockt werden.

Und das könnte so funktionieren: Die GAL verzichtet auf einen kategorischen Verzicht auf die Mammutprojekte, läßt sie allerdings noch einmal gründlich auf Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und ökologische Verträglichkeit abklopfen. Sie macht eine endgültige Vereinbarung von einer erneuten Debatte nach Vorlage der neuen Untersuchungen abhängig. Damit geht erstmal Zeit ins Land. Die Rezession mildert den Druck auf Altenwerder – im Amt für Strom und Hafenbau ist man schon heute für eine breite Alternativen-Diskussion offen. Auch die SPD könnte den von einem grünen Koalitionspartner angemeldeten Klärungsbedarf für diese, das ganze Stadtleben massiv beeinträchtigenden Projekte kaum abblocken, zumal viele der grünen Fragen eh in Umweltverträglichkeitsprüfungen abgearbeitet werden müßten: Ein Kompromiß, mit dem beide Partner leben könnten. Zum Schwur käme es erst in zwei, drei Jahren.

Auf ein umsetzungsfähiges Senatsamt im Bereich Verkehr/Stadtentwicklung, das weiß die SPD schon heute, werden die Grünen in jedem Fall bestehen. Erhalten sie es, so fürchtet Voscherau, könnten sie mit einer bösartigen Anti-Autopolitik auch die letzten SPD-Stammtisch-Wähler zur DVU treiben. Auch hier weiß Helmut Schmidts Zeit Rat: Eine moderne Verkehrspolitik kann Geld sparen und Mobilität verbessern und Wählerstimmen gewinnen. Voraussetzung: Politik wird handwerklich gut und mit überzeugenden Konzepten sowie im Dialog mit dem Bürger entwickelt. Das freilich kann sich Henning Voscherau kaum vorstellen. Verständlich: Da fehlt die Erfahrung.

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