: Bau'n wir halt ein Theater!
■ Shakespeare Company's Geburtstagsgäste: Das ThéÛtre Repère aus Kanada hat Sonntag Premiere in hergerichteter AG Weser-Halle
„Wer kauft denn mal Gaffer?“ brüllt es durch die Halle. „Kann ich 200 Mark Vorschuß kriegen?“ fragt ein Adonis mit Werkzeug an der Hüfte im Büro nach. Vor dem Haus steht die Feuerwehr und sucht nach Fluchtwegen. Unter der Decke der haushohen Halle turnt ein Elektriker wie ein Freeclimber. Auf dem Dach klebt jemand Teerpappe, damit's nicht mehr durchregnet. Und: „Wo bleibt das Gafferband?“
Mords-Action auf der Industriebrache des AG Weser-Geländes in Gröpelingen. Direkt am Fluß, in der „Hojo-Halle“, wo früher mal Schiffe gebaut wurden, entsteht innerhalb einer Woche ein komplettes Theater. Bauherrin: die Bremer Shakespeare Company, die seit diesem Wochenende ihren zehnten Geburtstag feiert. Als Geburtstagsgäste holt sie sich - übers Jahr verteilt - lauter Konkurrenz in die Stadt, also Shakespeare-Kompanien aus anderen Ländern. Zum Vergleichen und Staunen, was alles auch Shakespeare ist. Die ersten Gäste kommen aus Kanada, heißen ThéÛtre Repère und haben eine Bühne bestellt, die 12 mal 15 Meter mißt und acht Meter hoch ist. Da guckten die Leibnizplätzler mit ihrer Niedrigdecke dumm aus der Wäsche. Mußten sie halt ein Theater bauen.
Die Profis, die die Lampen an die Gerüste hängen haben solchen Aufwand schon mal gesehen: „Das ist ja Licht wie bei einer Rockshow!“ Ganz verkehrt liegen sie nicht: Robert Lepage (Jg.57), Chef der Quebecer Truppe, hat z.B. die Show inszeniert, mit der Peter Gabriel tourt. Lepage liebt das Zaubern und visuelle Effekte und kommt zu Hause wie auf Reisen besonders
hier dunkele Halle
Platz für einen kanadischen Shakespeare im Bauch der Hojo-HalleFoto: Katja Heddinga
beim jungen Publikum an. Vor Tagen ist er bereits wieder gen Tokio entschwunden, wo das ThéÛtre Repère demnächst gastieren wird.
„Wo ist Lady Macbeth?“ Eine doppelte Tragödie bahnt sich an. Ist Marie Brassard, die als nackte Lady die selbstfriedigende Wirkung von Macht demonstrieren wird, zwischen zwei Presseterminen verloren gegangen? Fragen,
mit denen sich die Geburtstagsmanagerin Renate Heitmann herumschlägt. Eine Frau unter Dampf. Die Regiesassistentin de Shakespeare-Company organisiert einen Etat von über einer Millionen Mark, davon 600.000 vom Kulturressort, 300.000 aus dem Wirtschaftsetat. Um 200.000 kostet die Realisierung der Shakespeare-Trilogie der Kanadier: Macbeth, Coriolan und Sturm. Zwei Tage vor der Premiere stehen immerhin Bühne und Tribüne (450 Plätze), Leihgaben der Stadthalle.
„Ein ambitioniertes, ein verrücktes Projekt,“ sagt Anne-Marie Cadieux, die im Coriolan die Volumnia und Coriolans Mutter ist, und meint dreimal Shakespeare mit 10 SchauspielerInnen. Zumal es sich um komplett verschieden inszenierte Stücke handelt: ein „obskurer“ Macbeth als barbarisches Ritual; ein an filmische Sehgewohnheiten angelehnter, „moderner“ High- Tec-Coriolan; und ein magisch aufgeladener Sturm. Darüberhinaus werden verschiedene Sprachen gesprochen. Michel
Garneau hat Shakespeare für Francokanadier übersetzt, und so kommt neben Hochfranzösisch auch ein „bäuerlicher“ Mix aus Alt- und Quebec-Französisch zu Gehör.
Wer an die Bremer Shakepeare-Interpretationen gewöhnt ist, wird ganz schön die Augen aufreißen beim ThéÛtre Repère. Aber eins verbindet beide Truppen: das Geld bzw. dessen Abwesenheit. Die Truppe, die weltweit erfolgreich ist, lebt daheim ohne feste Engagements („all freelancers“). Man trifft sich zu Produktionen, teilt sich eine Bühne mit anderen und verdient in der Zwischenzeit Geld.
Ein Kassenhäuschen wird am Zugang zum Hafengebiet, von wo noch 400 Meter zu laufen sind, aufgestellt. Der Anleger für das „Schiff“, das zur Premiere herdampft, muß vorbereitet werden. Und die Löcher im Fußboden sind stöckelschuhsicher abzudecken. Gleich kommt das Bauordnungsamt.
Burkhard Straßmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen