Über 1936 möglichst nicht reden

■ Veranstaltung zu Olympia 1936 unter großem Polizeischutz / Gegen Widerstand der Olympia-Befürworter durchgesetzt

Unter massivem Polizeischutz (zehn Wannen) und mit strenger Einlaßkontrolle fand gestern ein eintägiges wissenschaftliches Colloquium zu Olympia 1936 im Martin Gropius Bau statt.

Veranstaltet von der Stiftung Topographie des Terrors soll es der Vorbereitung einer Ausstellung über die Nazi-Spiele dienen, die im Jahre 1996 stattfinden soll. Die von der Olympia 2000 GmbH und der Kulturverwaltung geförderte Veranstaltung war nur halböffentlich. Dort sprachen Historiker wie Hans Mommsen aus Bochum und Sportpolitiker wie Hans-Joachim Teichler (SPD) über die innenpolitische Situation 1936 oder die erfolglose damalige internationale Boykottbewegung.

Erst am gestrigen Abend fand eine öffentliche Podiumsdiskussion statt, zu der eine große Zahl von OlympiagegnerInnen erwartet wurde.

Zum Auftakt des Colloquiums war der Chef der Olympia GmbH, Axel Nawrocki, gestern nicht erschienen. Deutliches Zeichen dafür, wie unangenehm die Aufarbeitung von 1936 den Protagonisten der „Jahrtausendspiele“ ist. Eine öffentliche kritische Würdigung der Nazi-Spiele in der Bewerbungsphase sollte auf jeden Fall verhindert werden.

Sogar das bloß eintägige Colloquium war nur gegen starken Widerstand aus Olympia GmbH und Politik durchsetzbar. Wie die taz erfuhr, wurde die Veranstaltung erst auf heftigen Druck des parlamentarischen Beirates der Olympia GmbH und des Olympia-Kulturbeauftragten Hilmar Hoffmann möglich – 14 Tage vor der Entscheidung in Monaco.

Schon in der Frühphase der Berliner Bewerbung hatte es Ärger um das Thema 1936 gegeben. Hans-Jürgen Kuhn (AL), Rot- Grün-Sport-Staatssekretär, forderte schon 1990 einen großen internationalen Kongreß in Sachen Nazi-Olympiade – in Berlin und innerhalb der Bewerbungsphase.

Ergebnis: Kurze Zeit später wurde Kuhn auf Betreiben des damaligen NOK-Chefs Willi Daume, des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) und des Regierenden Bürgermeisters Momper (SPD) geschaßt. Am Rande des gestrigen Colloquiums präsentierte Kuhn Ausschnitte aus Briefen von Daume und Schäuble an Momper und die Sportsenatorin Volkholz (AL). Daume fordert darin, „die beabsichtigte Seminarveranstaltung zu unterbinden“, weil diese „kontraproduktiv“ für die Olympiabewerbung sei. Gleichzeitig verlangte Daume indirekt die Ablösung von Staatssekretär Kuhn: „Und darüber hinaus verbleibt mir die inständige Bitte, daß der Berliner Senat nunmehr Konsequenzen zieht, die den NOK ersparen, öffentlich zur Sache Stellung nehmen zu müssen.“ kotte

(Mehr zu Colloquium und Diskussion am Montag)