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In intimer Nähe...

■ Ein Treffen mit CNN-Präsident Tom Johnson im globalen Dorf

Atlanta (taz) – Alle wollen CNN: Englands Außenminister Douglas Hurd in seinem Fünf- Sterne-Hotelzimmer, Somalias erklärter Bösewicht Muhammad Farah Aidid in seinem geheimen Versteck und Amerikas Bill Clinton in seiner präsidentiellen Badewanne. Nur drei prominente Beispiele von vielen, die ihre „CNN-Sucht“ öffentlich bekundet haben. Und auch ihre Abhängigkeit: Als US- Präsident Bill Clinton im Juni Saddam Husseins Nachrichtenzentrale in Bagdad bombardierte, verließ er sich nicht auf seine Satellitenaufklärung, sondern erkundigte sich bei CNN-Präsident Tom Johnson, ob die Bomben auch getroffen hätten. Erst dann verkündete Clinton seinen „Erfolg“.

Unzählige CNN-Legenden sind nach diesem Muster gestrickt. Fast immer erzählen sie von der intimen Nähe zwischen den Mächtigen und den Machern des ersten planetaren Nachrichtensenders. Beispielsweise die „Füller-Anekdote“: Ausgerechnet als Michail Gorbatschow mit seiner Unterschrift das Ende der Sowjetunion besiegeln wollte, ging ihm die Tinte aus. CNN-Chef Tom Johnson stand hinter ihm und reichte seinen Federhalter – leihweise.

Den historischen Füller sucht man in Tom Johnsons bescheidenem 40 Quadratmeter großen Büro in der CNN-Zentrale in Atlanta vergeblich. Auf einem Sockel installiert, sticht statt dessen das geborstene Panzerglas eines Kamerawagens aus Sarajewo ins Auge – gleich neben dem Kriegssouvenir lächeln, hinter intaktem Glas, Tom Johnsons Sohn und Tochter. Flankiert von einer musealen Schreibmaschine zur Linken und einem Computer zur Rechten, schwärmt der 52jährige ehemalige Herausgeber der Los Angeles Times, wie der 1980 von Ted Turner gegründete TV-Sender die internationale Politik verändert habe: „CNN ersetzt, besonders in Krisensituationen, oftmals die traditionellen Kanäle der Diplomatie. Politische Entwicklungen werden dadurch beschleunigt. Darin liegt eine Gefahr. Andererseits werden Fernsehzuschauer wie Sie und ich wieder stärker Teil des politischen Prozesses, Teil einer neuen Realität.“

Per Knopfdruck und über reservierte Satellitenleitungen plauscht Johnson mit den Großen der Welt. In der elektronischen Welt des „Globalen Dorfs“ geben sich die Angehörigen der Kommunikationselite die Klinke in die Hand. Daß CNN dabei von den Politikern auch zu Propagandazwecken benutzt wird, versucht Johnson zu relativieren: „Wir zeigen immer auch die andere Seite.“ Für ihn gilt: lieber Life-Bilder, und sei es „cleared by Iraqui Censors“, als gar keine Berichterstattung. „Es ist allemal besser, wenn Bush und Saddam über CNN miteinander sprechen, als wenn sie sich gegenseitig bombardieren“, argumentiert er, so als hätte „Desert Storm“ dank CNN nie stattgefunden.

Diese Verdrängung ist kein Wunder: Selbst wenn in der „wirklichen Welt“ Raketen explodieren, tritt der „echte Krieg“ im globalen CNN-Dorf in den Hintergrund. Der tödliche Konflikt mutiert zum High-Tech-Abenteuer, zum Nintendo-Spiel der „world leaders“. Als während des Interviews das Telefon klingelt, verrät Johnsons Gesicht sekundenlang eine Spur jener Faszination, die das (Satelliten-) Zeitalter der Information mit sich bringt: „That's Reverend Jesse Jackson“, verkündet er mit kindlichem Stolz und erlaubt sich zehn Minuten planetaren Tratsches.

Doch die globale Dorfidylle ist nicht ungetrübt: CNN erreicht 97 Prozent der amerikanischen Fernsehhaushalte – auf dem US- Markt hat der Sender die Sättigungsgrenze erreicht. Im Ausland muß CNN I, die 1985 gestartete internationale Ausgabe von CNN, vor allem mit dem „World Service Television“ der BBC konkurrieren. CNN erreicht 69 Millionen Fernsehhaushalte in 142 Ländern. Ungefähr 16 Prozent aller existierenden Fernsehgeräte (weltweit etwa eine Milliarde) können CNN empfangen. Ausgerechnet im asiatischen Raum, wo zwei Drittel der Weltbevölkerung leben, hat die British Broadcasting Corporation mit elf Millionen erreichbaren Haushalten (CNN: sechs Millionen) die Antenne vorn. Um der Konkurrenz zu begegnen, eröffnete CNN unlängst neue Korrespondentenbüros in Bangkok und Neu-Delhi. Tom Johnson plant, demnächst eine asiatische CNN I- Produktionszentrale aufzubauen.

Medienkritiker bezichtigen CNN I, einseitig amerikanische Nachrichten zu verbreiten. In der Tat liegt der Anteil an „US-News“ bei CNN I bei 70 Prozent – eine Quote, die Tom Johnson bis zum Jahresende auf 30 Prozent senken will. Um vom Image des „Kulturimperialisten“ wegzukommen und wirklich „international“ zu werden, sind die Mitarbeiter von CNN I angehalten, in ihren Beiträgen auf die in den US-Medien üblichen Baseball-Metaphern zu verzichten. Außerdem sollen sie nicht vom „Präsidenten Clinton“, sondern vom „US-Präsidenten Clinton“ sprechen und dem irakischen Verteidigungsministerium im Zweifelsfall ebensoviel Platz einräumen wie dem Pentagon.

Neben CNN I setzt Johnson auch auf Beteiligungen an ausländischen Nachrichtensendern. Das Pilotprojekt, die 27,5-Prozent-Beteiligung an dem deutschen Nachrichtenkanal n-tv, ist bei einem Marktanteil von 0,4 Prozent bisher nicht gerade erfolgreich. „n-tv verliert mehr Geld als CNN in seiner Anlaufphase“, klagte jüngst CNN- Gründer Ted Turner. Prompt wurde aus Atlanta ein fünfköpfiges Beratungsteam nach Berlin entsandt. „Wir geben nur allgemeine Unterstützung“, beschreibt Tom Johnson die Zusammenarbeit vage. Anfangs hätten sich die Deutschen ein wenig reserviert gezeigt, inzwischen sei die Kooperation „great“. Trotz der schlechten n-tv-Quoten, sei ein Rückzug von CNN nicht zu befürchten: „Wir denken langfristig.“

Immerhin brauchte auch der amerikanische Nachrichtensender fünf Jahre, um den roten Zahlen zu entkommen. Inzwischen ist CNN hochprofitabel und erwirtschaftete 1992 einen Gewinn von 155 Millionen Dollar – trotz relativ geringer Einschaltquoten um 0,7 Prozent. Seinen kommerziellen Erfolg und sein Image verdankt CNN weltbewegenden Schreckensereignissen wie dem Tiananmen-Massaker, dem Golfkrieg oder dem Putsch in der Sowjetunion. Die CNN-Macher wünschten sich solche Katastrophen und Kriege zwar nicht unbedingt herbei, „aber erst dann zeigen wir, was wirklich in uns steckt“, gesteht Tom Johnson mit einem verlegenen Lächeln. Allerdings: „Auf den Dritten Weltkrieg hoffen wir nicht.“ Marc Fest

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