Rokoko-Roben unterm Hammer

■ Kostüm-Versteigerung in der Oper: Andrang wie beim SSV

Pünktlich um 10 Uhr stürmten Nostalgie-Pilger auf der Suche nach Kostümen das Foyer der Hamburger Staatsoper. Regelmäßig verkauft und versteigert das Haus an der Dammtorstraße ausrangierte Stücke aus dem Fundus, um Platz für neues zu schaffen. Bereits eine halbe Stunde nach Einlaß war kaum noch ein Durchkommen.

Die Besucher stürzten sich auf die Kutten und Hemden zu fünf Mark oder die Kittel und Hosen zu 30 Mark. So waren die zum Verkauf angebotenen Stücke sehr schnell vergriffen. Einige taten sich allerdings schwer, das Richtige zu finden, denn eine Ordnung bestand nur der Preislage nach. Da war die köstliche Ware handgenähter Theaterkleidung in Reih und Glied aufgestellt, was das Foyer einem Kaufhaus ähneln ließ. Die BesucherInnen hatten auf den ersten Blick nicht den Eindruck, aus echten Staatsopern-Stücken zu wählen. Die Atmosphäre erinnerte eher an Grabbeltisch-Kämpfe im Schlußverkauf. Für das leibliche Wohl sorgte ein Ausschank, an dem sich die Schlange derjenigen entlangdrängelte, die dann doch etwas ergattert hatten.

Wer womöglich eine gediegenere Atmosphäre erwartet hatte, wurde im oberen Stockwerk besser bedient: Dort fand die Versteigerung der gesuchtesten und erlesensten Stücke des Fundus statt. Entlang der Ballustrade konnte man die facettenreichen Kostüme, die allesamt aus abgesetzten Stücken stammen, bewundern. Die erzielten Preise begannen bei 100 Mark, ein Kleid aus dem Damenchor der Oper „Amadis“ wechselte für 520 Mark seine Besitzerin, ein Kostüm aus „Ormindo“ erzielte den Höchstpreis von 900 Mark.

Rokoko-Roben mit Reifrock und aufgesetzten Ärmeln, mit Spitze, Tüll und Zierat versehen, Gewänder aus Seide und Brokat - da konnte die Kaufunfähige zumindest staunen. Insgesamt waren rund 3500 Kostüme zu erstehen, unter denen sich einige als unverkäuflich erwiesen. So zum Beispiel eine Zwergenausstattung mit ritterlichen Wappen oder sackartige, ellenlange Gebilde mit Pelzaufsatz die, da kiloschwer, untragbar waren. Etliche Kleider hatten unter anscheinend grober Behandlung durch die Schauspieler soviele Risse hatten, daß die potentiellen Käufer dies beim bestem Willen nicht als Beinfreiheit goutieren konnten. So manches gute Stück hatte die besseren Tage wohl ausschließlich auf der Bühne erlebt, um anschließend ungereinigt und zerschlissen in der Dachkammer zu landen.

Dennoch fanden sich für dieses oder jenes für den täglichen Aufzug unbrauchbare Stück Käufer. Kleine Theatergruppen hatten durch die Versteigerung die Möglichkeit, den eigenen Fundus mit Kostümen aufzustocken, zu denen sie aus beschränkten finanziellen Mitteln sonst keinen Zugang hätten. Andere wiederum fanden sich ein, um ein originelles Kostüm zum Fasching zu erstehen oder einfach nur, um sich ein Stück Theater zu kaufen.

Die Staatsoper nahm mit der Versteigerung insgesamt 115.000 Mark ein, was sicherlich auch auf die Wortgewalt der Auktionatoren zurückzuführen ist. Diese priesen redegewandt das Kostüm des Rosenkavaliers oder das von dem Maler Ernst Fuchs entworfene Kleid der Kundry an, wobei sie sich - ihrer Aufgabe gemäß - in Schwärmereien verloren, die manches Mal peinlich berührten: „Meine Damen das macht schlank!“ oder: „ Perfekter Sitz im Schritt!“. Und wen ein Kleidungsstück in der Taille kniff, die besorgte sich halt das passende Korsett gleich ein Stockwerk tiefer ... Audrey-Sue Peters