: Die neuen Frauen Nippons
■ Die Japanischen Autorinnen Yoko Tawada und Taeko Kono lesen heute abend im Literaturhaus
Nur manchmal reicht die Durchdringung mit der fremden Sprache bis in die nächtlichen Träume hinein. Erst einmal sei es ihr passiert, erzählt die 30jährige japanische Schriftstellerin Yoko Tawada, daß die Bilder im Traum und die fremde Sprache sich vereinigten: „Ich träumte von einer Birne“, berichtet sie, „hielt die Frucht in der Hand, und sie leuchtete“. Nach solcher Doppeldeutigkeit sucht man in der Muttersprache der Autorin vergeblich.
Auch wenn sie bereits seit über zehn Jahren in Hamburg lebt (dort, wo es am malerischten ist, in Övelgönne, direkt an der Elbe) und fließend Deutsch spricht: Ihre literarischen Texte schreibt sie zumeist auf Japanisch. Grotesk, daß ihr erstes Werk in Japan erst erschien, als bereits drei ihrer Bücher in Übersetzung und liebevoll edierten zweisprachigen Ausgaben in Deutschland veröffentlicht waren!
Die anfangs versagte literarische Anerkennung in ihrer japanischen Heimat wurde ihr dieses Jahr nun endlich zuteil: Aus 2000 Texten wurde Yoko Tawadas (bislang nur auf Japanisch vorliegende) Erzählung „Der Hundebräutigam“ ausgewählt und ihr der Akutagawa-Preis, die renommierteste literarische Auszeichnung Japans, verliehen. In der Jury aus zehn SchriftstellerInnen saß auch eine andere Akutagawa-Preisträgerin, die des Jahres 1963: Taeko Kono.
Wenngleich durch und durch Japanerin - unangepaßt ist diese nahezu 70jährige Autorin allemal. Das brave Aussehen trügt: In den Alltag ihrer nur scheinbar durchschnittlichen Figuren bricht Bedrohliches ein, unerfüllte Sehnsüchte und unterdrückte Leidenschaften werden aufgedeckt. Unkonventionell sind vor allem ihre Frauenfiguren: Die Titelheldin in „Knabenjagd“ (1961, dt. 1988) etwa „verabscheute nichts so sehr wie kleine Mädchen im Alter zwischen drei und etwa zehn Jahren“ - ein Sakrileg in einem Land, in dem bis vor nicht allzu langer Zeit Heirat und Kinderkriegen die Erfüllung des Frauendaseins bedeutete.
Konos Schriftstellerkollegin Yoko Tawada hat sich für ein Leben in der Fremde fern von den zahlreichen Zwängen ihres Heimatlandes entschieden. Von den Erfahrungen zwischen den Welten, Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen, von Bildern im Kopf und Realitäten vor Ort schreibt sie. Alltägliche Wahrnehmungsmuster werden aufgebrochen, und neue, oft surreale und irritierende Wirklichkeiten entstehen. Die Sprache Yoko Tawadas will Vehikel sein auf der Suche nach dem Eigentlichen, nach der Identität der Dinge - wohl wissend, daß es letztendliche Wahrheiten nicht gibt: „Der menschliche Körper soll zu achtzig Prozent aus Wasser bestehen, es ist daher kaum verwunderlich, daß sich jeden morgen ein anderes Gesicht im Spiegel zeigt“. Heidi Knobloch Literaturhaus, 21 Uhr
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