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Es war vor zehn Jahren

■ Die HDW-Belegschaft besetzte die Werft / Heute gibt's ein Fest    Von Kai von Appen

Es war ein einzigartiger Kampf, ein Arbeitskampf, den bis dato die Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte: Genau vor zehn Jahren hielten die 3500 Beschäftigten der Hamburger Howaldtswerke/Deutsche Werft (HDW) ihren Betrieb besetzt, um für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen. Wenige Wochen zuvor hatte die Staatswerft bekanntgegeben, 2200 MitarbeiterInnen vor die Tür zu setzen.

Die Besetzung begann am 12. September um 15.30 Uhr. Auf einer Betriebsversammlung hatte die Belegschaft beschlossen, sich nicht tatenlos dem „Tod auf Raten“ zu unterwerfen, sich aktiv für den Erhalt der Werft einzusetzen. Tag und Nacht verblieben die MalocherInnen an ihren Arbeitplätzen, geschlafen wurde in Schafsäcken auf dem Fußboden einer Schiffbauhalle. Dreimal am Tag traf sich die Belegschaft, um auf Streikversammlungen über das weitere Vorgehen zu beraten. So beschloß die Vollversammlung am 17. September 1993 unter der Schirmherrschaft der IG Metall, ein HDW- und Metaller-Arbeitslosenzentrum zu gründen. Dieses Zentrum sollte ein Kommunikationszentrum für all diejenigen werden, deren Arbeitsplatz nicht gerettet werden kann und die den Kontakt zu den alten Kollegen halten wollten.

Am 20. September setzte die Belegschaft die Besetzung aus. Der Kampf um die 2200 Arbeitsplätze war verloren, nachdem die Bundesregierung den Hauptanteileigner und staatlichen Salzgitterkonzern angewiesen hatte, keine Zugeständnisse zu machen – notfalls die Werft durch die Polizei räumen zu lassen. Selbst gestandene Malocher konnten in diesen schweren Stunden ihre Tränen nicht zurückhalten – doch der „Tod auf Raten“ war besiegelt.

Auch wenn inzwischen die Werft vom Salzgitterkonzern liquidiert, die letzten Reste von Blohm & Voss übernommen worden sind, war der Kampf nicht sinnlos. Die Belegschaft konnte dem Hamburger Senat abtrotzen, die Firma „Öko Tech“ mit 100 HDWlern zu gründen, bei der neue Produktpaletten entwickelt und umweltfreundliche Technologien hergestellt werden sollten. „Öko Tech“ gibt es noch heute, ebenso wie das HDW-Arbeitslosen-Zentrum. In dem Kommunikationszentrum treffen sich heute Metaller, arbeiten an verschiedenen Projekten. So gibt es beispielsweise eine Info-Gruppe, die regelmäßig Sozialhilfeempfängern Tips gibt; oder ein Fahrradprojekt, in dem die hochqualifizierten Metaller ihr Fachwissen Bastlern zur Verfügung stellen. Wer sich über das Zentrum informieren möchte, sollte heute am Fest teilnehmen. Motto: „HDW-Besetzung – 10 Jahre danach.“ Gästeredner: Sozialdsenator Ortwin Runde, IG Metall-Chef Klaus Mehrens und Ex-HDW Betriebsratvorsitzender und jetziger „Öko Tech“-Chef Holger Mahler.

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