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■ Moratorium für OlympiaYing und Yang

Was für ein Jammer, daß am 23. September alles vorbei sein soll. Alles ist doch gerade im schönsten Schwung. Die Pro-Olympia-Bewegung überschlägt sich mit Sympathie-Ralleys, Bärchenläufen, Aufklebern, einem Sportinstitut, Freibier und Kinderfesten – und die Anti-Olympic-Bewegung hält wacker mit. Zeitgleich organisierte sie Demonstrationen, Aktionstage, Ausstellungen, und am Entscheidungsabend feiern die scheinbar Unversöhnlichen 500 Meter voneinander entfernt das Finale. Die einen mit Video-Leinwand und Musik am Brandenburger Tor, die anderen auch mit Video- Leinwand und Musik im Tränenpalast.

Die beiden Konkurrenzbewegungen – die eine mit dem Symbol des lächelnden Bärchens, die andere mit dem weinenden – haben sich herrlich aufeinander eingeschossen, kein Olympia-Tennis könnte spannender sein. Sie brauchen sich wie Ying und Yang, sie spielen Hase und Igel oder Pingpong, sie spielen die große Glanzbroschüren-Konkurrenz. Eine ganze Reihe von neuen, professionell inszenierten vorolympischen Disziplinen sind erfunden worden. Zwei in sich geschlossene Systeme sind zu beobachten, vollauf damit beschäftigt, sich gegenseitig eins auszuwischen, immer darum bemüht, eine Spur schneller als der Gegner zu sein. Ein echter Wettkampf mit offenen Karten. Das belebt die Stadt, schafft Arbeitsplätze und soziale Aufmerksamkeit, mobilisiert und polarisiert die Bürger. Und selbst die Touristen haben zu Hause etwas zu erzählen.

Beide Parteien sitzen in einem Boot und sollten im Interesse der Stadt ihr gemeinsames Anliegen hegen und pflegen. Denn Berlin muß lebendig bleiben, weder Pros noch Antis dürfen in eine tiefe Sinnkrise fallen, in deren Folge die Stadt in gähnender Langeweile versinkt. Die lachenden und die weinenden Bärchen sollten sich zusammenfinden und in Hochglanz gemeinsam ein Moratorium bei den IOC-Göttern beantragen: Die Entscheidung über Olympia 2000 wird vertagt. Der kreative Vorwettkampf soll weiterlaufen, mindestens noch ein weiteres Jahr. Berlin zuliebe. Anita Kugler

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