■ Neu im Kino: Der Zauberer von Oz
Neu im Kino
Der Zauberer von Oz
Was haben Salman Rushdie, David Lynch, Elton John und Millionen amerikanische Kinder, die sich alle Jahre wieder zu Weihnachten den gleichen Film auf dem Bildschirm ansehen gemeinsam ? Sie alle sind in den Bann des „Wizard of Oz“ geschlagen. Rushdie bekennt in seinem liebevollen Essay „A short text about magic“, daß dieser Film seine „very first literary influence“ gewesen sei; Lynch hat „Blue Velvet“ und „Wild at Heart“ reichlich mit Zitaten aus dem Hollywood Klassiker gespickt und Elton John's „Goodbye, Yellow Brick Road“ ist offensichtlich ein Tribut an Dorothy aus Kansas und ihren Hund Toto.
Deren Ankunft im Lande Oz, nachdem sie das schwarz/weiß/ graue Kansas unter sich gelassen haben und sich plötzlich „über dem Regenbogen“ in einer knallig bunten Märchenwelt wiederfinden, ist auch heute noch reine Kinomagie. Für Kinder hat der Film alle Elemente eines guten Märchens: eine Reise durch ein fremdes Land, gruselige Szenen (mit einer herrlich fiesen, grünhäutigen Hexe), schöne Lieder und eine phantastische Sammlung von seltsamen Figuren: ein Zauberer, Zwerge, fliegende Affen, eine wandelnde Vogelscheuche (ohne Gehirn), ein Mann aus Eisen (ohne Herz) und ein prächtiger Löwe (ohne Mut).
Aber anders als in den Filmen von Walt Disney (der 1939 gerade Schneewitchen gedreht hatte — deshalb mußten im „Wizard“ unbedingt 350, also 50 mal 7 Zwerge mitspielen) wirkt hier nichts infantil. Judy Garland ist als Dorothy nicht niedlich, sondern eher linkisch. Gleich zu Beginn des Films singt sie „Somewhere over the Rainbow“ mit einer Süße und emotionalen Tiefe, die sie auch ohne Wirbelsturm weit aus dem drögen Kansas emporheben. Für Rushdie wirkt der Film auch heute noch so gut gerade wegen Garlands „geschrubbter, ein wenig klobiger Unsexiness“.
„The Wizard of Oz“ ist ein hemmungslos eskapistischer Film, dessen Grundmotiv gerade diese Flucht in eine Traumwelt ist. Aber Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn es auch im schönsten Märchen nicht eine saure Dosis Moralin verstecken würde, und so ärgern sich auch heute noch fast alle Kritiker in ihren Liebeserklärungen an diesen Film über das Ende, in dem versucht wird, all die radikalen Träumer wieder auf die Erde herunterzuziehen. „There is no place like home“ ist die Zauberformel, mit der sich Dorothy wieder ins dröge Kansas zurückwünscht: „Nonsense“ sagen wir mit Danny Peary: „sie sollte im strahlend bunten Oz mit all ihren neuen Freunden bleiben.“ Dort können wir sie auch 54 Jahre nach Entstehung des Films wieder besuchen. Und weil „The Wizard of Oz“ bei dieser Wiederaufführung auf neuen 35mm Kopien zu sehen ist, wird uns das Zauberland diesmal noch prächtiger, bunter und größer als je zuvor erscheinen: There is no place like the cinema.
Wilfried Hippen
Kino 46, Waller Heerstraße, Fr.-So. 16.00 Uhr
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