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Arbeitslose mit dem Grünen Punkt

ABM-Beschäftigte zwischen den Fronten / Weniger Geld vom Arbeitsamt / Mehr Konkurrenz zu regulären Jobs / Handwerk befürchtet Konkurrenz der AB-Maßnahmen  ■ Von Barbara Dribbusch

Verrückt ist es schon, aber eigentlich nicht besonders lustig. Vor einigen Jahren noch hat Adolf Eckenbrecht auf dem Industriegelände des Kombinats Lacke und Farben in Berlin-Treptow 650 Beschäftigte betreut und verwaltet. Heute demontiert der gelernte Ingenieurökonom mit 50 Männern seinen alten Betrieb. Ein Sanierungsprojekt, Sonder-ABM nach neuem Konzept. „Natürlich ist das nicht wie ein richtiger Job in einem Unternehmen“, meint der 58jährige, während seine Kollegen ein rostiges Maschinenteil aus der gähnend leeren Halle tragen. „Aber wenn ich an die anderen Arbeitslosen denke, müssen wir doch noch dankbar sein.“

Eckenbrecht hat schon alles mitgemacht: erst die Kündigung, danach zwei Jahre herkömmliche ABM, jetzt die Sonder-ABM nach dem neuen Paragraphen 249h im Arbeitsförderungsgesetz. Mit seinem Recycling durch die Maßnahmen hat er noch Glück gehabt. Denn binnen Jahresfrist verloren im Osten fast 160.000 ABMler ihren Job. Es blieben bislang 210.000 Plätze, davon 34.000 Sonder- ABM. Das Neue an diesen: weg vom Geld der Arbeitsämter, dafür näher ran an neue Finanzierungspartner und schon verdammt nahe ran an Tätigkeiten wie auf dem ersten Arbeitsmarkt. Zu oft bei untertariflicher Bezahlung

Nach dem neuen Paragraphen, gültig bislang nur im Osten, steuert das Arbeitsamt nur noch 15.120 Mark pro Mann und Jahr bei, das ist das durchschnittliche Arbeitslosengeld. Für den Rest müssen andere Finanziers gefunden werden – die Länder, der Bund oder die Wohlfahrtsverbände. Bei dem Sanierungsprojekt in Treptow beispielsweise schlägt ein Arbeitsplatz mit 70.000 Mark zu Buche. Neben dem Arbeitsamt schießt der Senat 15.000 Mark zu. Die Treuhand schließlich stockt mit 40.000 Mark auf und kann so immerhin das Gelände recht günstig für künftige Käufer aufpolieren lassen.

„Wenn die eine normale private Firma engagieren würden“, meint Eckenbrecht mit Blick auf die blauverschmierten Wände, „käme das bedeutend teurer.“ Das liegt auch an den Löhnen. Bei der Ost- Sonder-ABM müssen nur 90 Prozent des Tariflohns gezahlt werden oder wahlweise 80 Prozent bei dann auch nur 80 Prozent der sonst üblichen Arbeitszeit.

Die geförderten Arbeiten müssen der Verbesserung der Umwelt, der sozialen Dienste oder der Jugendhilfe dienen. Aber sie sollen nicht mehr, wie die herkömmlichen ABM, unbedingt „zusätzlich“ sein. Die Verträge werden für drei Jahre abgeschlossen. Für die Arbeiten im Umweltbereich sind auch Wirtschaftsunternehmen als Träger zugelassen.

Je näher dran am ersten Arbeitsmarkt, desto größer die Angst der mittelständischen Betriebe vor der subventionierten Konkurrenz. „Da gibt es Widerstände vom Handwerk“, erzählt Lydia Hohenberger von Life e.V., einem Berliner Trägerverein für Frauenprojekte. Demnächst wollen hier Bauhandwerkerinnen nach dem Sonderparagraphen ökologischen Innenausbau anbieten.

Die Hälfte der Gelder für das Projekt bei Life kommt vom Arbeitsamt und dem Land Berlin. Die andere Hälfte aber müßte erwirtschaftet werden. Das ist die Crux: um Geld zu verdienen, wollen die Frauen nicht nur Gemeinderäume und Seniorenheime ausbauen, sondern auch in privaten Wohnzimmern Fußböden legen und Wände vertäfeln. Die Rechtslage ist hier aber noch ungeklärt. „Der Senat muß noch mit der Handwerkskammer verhandeln, ob wir private Aufträge annehmen dürfen“, erklärt Hohenberger.

Auch an der Front der Gewerkschaften sorgen die neuen Tendenzen im zweiten Arbeitsmarkt für Unruhe. Während beim Sanierungsprojekt in Treptow die IG Chemie mit der Treuhand den 90- Prozent-Tarif vereinbarte, verweigert die IG Metall bisher für ähnliche Projekte ihre Zustimmung. Wilhelm Adamy, Arbeitsmarktexperte beim DGB, wird grundsätzlich: „Wir müssen auf dem Tariflohn bestehen. Arbeitslose dürfen nicht als Lohndrücker mißbraucht werden.“

Zu teuer dürfen sie nicht sein, die ABM-Kräfte, aber eben auch nicht zu billig. Und möglichst viele sollen ihr Happy-End finden: in einer Ausgründung als selbsttragender Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Bei den herkömmlichen ABM sah es diesbezüglich mager aus. In Brandenburg beispielsweise gab es im vergangenen Jahr bei 90 Projekten sechs Ausgründungen, in denen nur 22 von insgesamt 14.000 Maßnahmeteilnehmer beschäftigt waren.

Bereichsleiter Eckenbrecht weiß denn auch, daß er im wirtschaftspolitischen Niemandsland werkelt. „Um später mal mit anderen Privatfirmen zu konkurrieren, bräuchten wir Kapital für geeignete Maschinen. Wir arbeiten hier doch von Hand, auf ostsibirische Art. Wenn wir keine geeigneten Fahrzeugmaschinen kriegen, wird der Schuttberg dort drüben demnächst von fünfzig Mann mit der Schippe abgetragen.“

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