: Speckgürtel nährt die City
■ Hamburger Einzelhandel kämpft gegen Verkehrsberuhigung in der Innenstadt, denn Autofahrer aus dem Umland konsumieren am meisten Von Vera Stadie
„Gefahr für die City“ sieht der Verband der Mittel- und Großbetriebe des Hamburger Einzelhandels. Bedroht ist die Hamburger Innenstadt nach Ansicht der Händler – natürlich – von Verkehrsberuhigung und modernen Stadtrand-Einkaufszentren. Eine der „attraktivsten Einkaufsmetropolen Nordeuropas“ läuft Gefahr zu veröden, fürchten die Händler – wenn Pinneberger und andere Bewohner des „Speckgürtels“ nicht mehr mit dem Auto zum Einkaufen nach Hamburg kommen können. Die Verkehrspolitik „darf keine Barrieren gegenüber dem PKW errichten“, warnte der Verbandsvorsitzende James Cloppenburg gestern bei der Vorstellung einer Untersuchung über Einkaufsgewohnheiten.
Denn die hat ergeben, daß 40 Prozent des Umsatzes in Hamburgs City, 1,6 Milliarden Mark im Jahr, aus dem Umland eingeführt werden. „Die Hamburger ernähren ihre Innenstadt nur zur Hälfte“, so Cloppenburg. „Wenn wir über Verkehrsberuhigung in der Innenstadt reden, reden wir auch über importierte Kaufkraft.“ Und der Umlandkunde sei ein spendables Wesen, gebe er doch pro Einkaufstag 28 Mark mehr aus als einE HamburgerIn.
Eine seltsame Abhängigkeit zeigt sich auch zwischen den Ausgaben und der Wahl des Verkehrsmittels. NutzerInnen von Bus und Bahn lassen 105 Mark pro Kopf in den Läden, während der PKW-Fahrer im Durchschnitt 169 Mark ausgibt, ermittelten die Händler. Die Hälfte aller Nicht-HamburgerInnen kommen mit dem Auto in die Stadt. Immer mehr HamburgerInnen hingegen fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einkaufsbummel. Waren es 1988 noch 56,6 Prozent der Innenstadtbesucher, stieg der Anteil 1992 auf 60,4 Prozent, ermittelten die Händler. Wer ist ihnen also lieber?
Insgesamt ist die Besucherzahl in der Hamburger City um 10,5 Prozent gestiegen, eine Steigerung weit über dem Bundesdurchschnitt. Vor allem am langen Donnerstag strömen die Kauflustigen „in die Stadt“ wie man in Hamburger Randbezirken sagt und Mönckebergstraße und Jungfernstieg meint. Während am Donnerstag vor allem die Hamburger die Konsumtempel aufsuchen, sind es am Wochenende eher die „Quittjes“ von außerhalb.
Zwar würden auch bei Umsatzeinbußen nicht gleich die Lichter der Großstadt ausgehen, räumte Cloppenburg ein, aber eine „Spirale des Negativen“ käme in Gang, wenn Umlandkundschaft ausbliebe. Und um die zu hätscheln, forderte der Verbandsboß auch gleich noch die weitere Flexibilisierung der Arbeit: Einheitliche Ladenöffnungszeiten am langen Samstag bis 18 Uhr, im Sommer wie im Winter – das, so Cloppenburg, „ist für Umlandkunden wichtig“.
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