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„Vom einem Fettnapf zum andern“

■ Debatte um Schulpolitik in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft

Heftige Kritik mußte sich Hamburgs Schulsenatorin Rosie Raab gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft anhören. Ihre Sparvorschläge seien „Motivationskiller“, sagte der GAL-Politiker Kurt Edler und fragte „Will sie durch Ungerechtigkeit den Elan von Pädagogen steigern?“

Die SPD-Politikerin hatte seit Weihnachten gleich eine ganze Latte von Sparvorschlägen unterbreitet. Unter anderen hatte Raab die Heraufsetzung der Altersgrenze für Lehrer, Kürzung der Ferien, Einsatz von Referendaren und eine Überprüfung „ineffizienter Reparaturbetriebe“ wie der sehr teuren „Berufsvorbereitungsklassen“ (BVKA) ins Gespräch gebracht. Würde man hier das Angebot auf „Berliner Niveau senken“, könne man 300 Lehrerstellen sparen, hatte Raab im Abendblatt gesagt.

Derartige Vorschläge seien „schädliche Schnellschüsse“, kritisierte Edler. Denn ein Schulbereich, der „zum Abschuß freigegeben“ sei, würde sich nicht mehr ins Zeug legen. Dies sei aber nötiger denn je. Der Lehrer hatte die Debatte mit einer kurzen Sizze der heutigen Schulwirklichkeit eröffnet. In manchen Schulen kämen Kinder ohne Frühstück zur Schule, könnten in der 1. Klasse noch nicht die Schuhe zubinden. Die Schule von heute sei auch „Sozialstation, Therapiezentrum, Familienberatung“ und „Amüsierbetrieb für erlebnisverdünnte Einzugsgebiete.“

Die Erkentnisse des GAL-Politikers seien nicht neu, konterte der SPD-Politiker Günter Frank, der seine Parteigenossin in Schutz nahm. Gejammer bringe nicht weiter. „Die Diskussion, die Frau Raab anregt, ist richtig und wichtig.“

Die Schulsenatorin betreibe ein „Verwirrspiel“, um von den wirklich teuren Bereichen abzulenken, konterte dagegen CDU-Politikerin Knipper. Täglich würden neue Vorschläge in der Zeitung stehen, ein „Sammelsurium, das keiner mehr durchblickt“. Dabei lasse Raab „kein Fettnäpfchen aus“.

„Ich bin bereit, in weitere Fettnäpfe zu treten, wenn es dem Wohl der benachteiligten Schüler dient“, entgegnete Rosie Raab, die in ihrer Rede darauf verwies, daß die Evaluation der BVKA-Klassen auf Anregung der GAL zustande gekommen sei. Diese habe schon 1992 bemängelt, daß bis zu 50 Prozent dieser Schüler ihre Ausbildung abbrechen. Die Erneuerung des Schulwesens sei ein Prozeß, der voraussetze, daß auch Lehrer bereit sind, Kritik aufzunehmen. kaj

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