■ Filmstarts à la carte: Irrlichter, Irritationen und Irrtümer
Klaus Mann hat Gustav Gründgens in seinem Roman „Mephisto“ wenig schmeichelhaft porträtiert, weswegen Gründgens' Erben das Buch in der BRD verbieten ließen. Gründgens, für eine kleine Weile auch Gatte von Klaus Manns Schwester Erika, galt nicht allein als der Schauspielstar der endzwanziger und dreißiger Jahre – sein Mephisto wurde gerühmt –, er führte auch Regie. Sein schillerndes Arrangement mit dem Dritten Reich beleuchtet jetzt eine Reihe im Zeughaus- Kino: Wieviel Höfgen steckte wohl in Gründgens? Das unerträglich antisemitische Propagandawerk „Ohm Krüger“ gehört natürlich nicht zu den ausgewählten Filmen. Statt dessen gibt es ein paar Historienschinken à la Königin Luise und hübsche Belanglosigkeiten wie Capriolen von 1937, wo man sich um nichts weniger als Garderobe, Liebe und deren glückliche Vollendung in Form der Ehe sorgt. Von film- und literaturgeschichtlich größerem Interesse dürfte die heute altertümlich anmutende Fontane-Verfilmung Der Schritt vom Wege sein, der Effie Briest zur unglücklich Strauchelnden stempelt. Nett wären zum Vergleich die anderen Briest-Versionen, Ost und West, aber das ist ja nun mal nicht Anliegen der Gründgens-Reihe. Ob sie allerdings Gründgens' Eiertanz zwischen Verführbarkeit durch die Macht und Arbeitsmöglichkeiten tatsächlich sichtbar machen kann, steht zu bezweifeln. Dennoch sehenswert.
1963 drehte Louis Malle nach einem Roman von Dreu La Rochelle sein Irrlicht. Der Autor des Romans war während des Krieges Kollaborateur gewesen, was seine heutige Unbekanntheit ein wenig erklärt. Nun, das Buch stand in der Bibliothek der Eltern Malle herum, und Sohn Louis interessierte sich für den seltsamen Faschisten Dreu, der wiederum mit dem Kommunisten Aragon eng befreundet war. Dreus Roman handelt von einem Mann, der ständig davon spricht, sich umbringen zu wollen und es, als niemand sein Reden mehr ernst nimmt, auch eines Tages tut. Dreu La Rochelle selbst beging 1945 Selbstmord. Malle, gerade 30 geworden und aufgewühlt durch den Selbstmord eines seiner Freunde, adaptierte die fiktiven und tatsächlichen Selbstmordfälle in „Irrlicht“, der Geschichte einer langen Nacht in Paris.
Kinder und Klatsch müssen dieses Mal zu kurz kommen, das ist zu verkraften, denn es gilt ein vorläufig letztes Mal das fsk zu würdigen. Dort läuft zwischen „Balagan“ und „Passion Fish“ wieder ein junger chinesischer Film, und zwar Rote Perlen von He Yi. Kurze Skizze: Die junge Jiyun landet in der Psychiatrie, träumt unbelehrbar von roten Perlen und erweckt damit den Unwillen ihres Arztes. Der eliminiert die störenden Traumsymbole von Reinheit, Lebenskraft und Kostbarkeit durch eine Gehirnoperation, kann sie aber nicht gänzlich vernichten, denn plötzlich träumt der Krankenpfleger Jingsheng von roten Perlen. Graue Bilder, das Geräusch eines tödlich quietschenden Essenwagens, im Innen versinkende Blicke strafen das fotogen Modische am Psycho-Thema, wie es sich gern in Hollywood präsentiert, Lügen. Der Regisseur He Yi lernte unter anderem bei Chen Kaige und Zhang Yimou (siehe „Rote Laterne“) sein Handwerk. Nach mehreren Kurzfilmen ist „Rote Perlen“ sein erster Spielfilm und darf vom Publikum wohlmeinend begutachtet werden. Banges Sinnen zum Abschied: Wer, während das fsk nun gut zwei Monate zwecks Umbaus und Umzugs pausiert, wird sich um all die guten, kleinen Filme kümmern, die in Deutschland keinen Verleih finden? Wir erwarten sehnlichst die Neu- und Wiedereröffnung.Anke Westphal
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