■ Filmstarts à la carte: Terror des Vorgefühls
Science-fiction hatte für Francois Truffaut, wie für die meisten Menschen in den sechziger Jahren, etwas mit der Angstlust einer Mondlandung zu tun. War Armstrong ein Verstoßener oder ein Kulturheld, als er seinen fast schwerelosen Fuß auf den Mond setzte? Jedenfalls ist also „Fahrenheit 451“ ein düsterer Versuch, Buchkultur, Gutenberg-Galaxie und Kino zu verzahnen, denn in dem schrecklichen Jahr, in dem dieser Film spielt, beschließt die Regierung, alle Bücher zu verbrennen, weil sie – in Gänze, als Medium – für Opium für das Volk gehalten werden. Julie Christie gibt hier zum einen die Ehefrau eines hin-und hergerissenen Feuerwehrmannes, die sich staatstragend und gesetzestreu verhalten will, zum anderen eine Lehrerin, die den Feuerwehrmann sirenenartig zur stillen Dissidenz hinreißt. Fahrenheit 451 ist eben die Temperatur, bei der hier die Bücher zu Asche zerfallen (gewisse Leute würden jetzt schreiben: ein gerade in Deutschland zu erinnerndes Bild ...)
Natürlich hat man im Laufe der Jahre angefangen, ein wenig unbehaglich von Jack Kerouac abzurücken; immerhin kann man auch On the Road ein Sachwalter des weißen jungen Mannes sein. Aber das „Eiszeit“ hat irgendwo einen Dokumentarfilm ausgegraben, in dem Kerouac aus Lowell/ Massachusetts bis nach New York zu Allen Ginsberg und Burroughs verfolgt wird. Zu sehen sind unter anderem ein recht stonedes Fernsehinterview und ein Stück aus der „Steve Allen Show“ von 1959, in der Kerouac zu Klavierbegleitung einige blumenreiche Episoden aus seinem Buch vorträgt. Wenige Monate später war er tot.
Rosie Perez' arme kleine Karriere verträgt es vielleicht doch noch nicht, immer auf die Chicana mit dem quauligen Schandmaul reduziert zu werden, (Sie haben sie keifend und zeternd in Jim Jarmuschs Night on Earth gesehen), und ob man so früh schon mit Bridgit Fonda geschlagen werden sollte, ist auch noch die Frage.
In 2 Mio. $ Trinkgeld ist die Sache die: Ein kleiner süßer Streifenpolizist namens Charlie (Nicolas Cage) aus Queens hat, wie schon Michael Douglas in Fatal Attraction alles, was er sich wünscht: nette Frau (nämlich Rosie), nettes Bier, netten Kumpel Bo, nette Kellnerin (Bridgit Fonda, die auch Redaktionsmitgliedern, die sonst eher zu Understatement neigen, die Gallenblasen wie 99 Luftballons aufsteigen läßt). Fehlen ihm paar Kinder, Rosie will keine. Nu. Spielt er Lotto. Im Coffee-Shop macht er ein paar lustige Scherzlein für die Kellnerin, kann nicht damit landen und kommt zwei Tage später mit einem Trinkgeld in Höhe von 2 Mio $ wieder. So was versöhnt. Sie kauft den Coffee-Shop und richtet darin einen Charlie-Lang- Stammtisch ein, an dem Obdachlose immer was zu essen kriegen, und er geht als Accidental Hero durch die Medien. Eines Abends treffen sie sich am Hafen, eine Liebesnacht muß folgen. Ohne Geld stehen sie später eben wieder sleepless in New York, wo sie dann selbst in der Not noch einem Bettler eine Mahlzeit geben, aber denken Sie nur! Der Mann war gar kein Bettler, sondern ein Prinz, ein Journalist. Wenn sie nicht gestorben sind, müßte man das vielleicht arrangieren, aber es geht heftig aus und nur ein Deutschland im Jack-Pot-Fieber wird verstehen, wie schön es ist.
Wenn überhaupt irgend etwas noch pappen geblieben ist von Botho Strauß' Essay „Na-Sie-wissen-schon“, so ist es die Sache mit dem „Terror des Vorgefühls“. Eben jenen Terror möchte ich dem Parfüm von Yvonne unterstellen, Patrice Lecomts weißwäschigen Leichtluftporno. Gehen Sie vor allem dann nicht hin, wenn Sie Wolf noch nicht gesehen haben, wo die Menschen noch essen, wenn sie Hunger haben.mn
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