: Wo die Böcke zu Gärtnern gemacht werden
■ Fluggesellschaften in die Hamburger Fluglärmschutzkommission gewählt
Davon hatten die Fluggesellschaften schon lange geträumt: Mitglied in der Hamburger Fluglärmschutzkommission zu werden. Das kontrollierende, unabhängige Gremium berät die Wirtschaftsbehörde als genehmigende Instanz über Schutz vor Lärm und Luftverunreinigung in Fuhlsbüttel. Zudem hatte es gnadenlos jene Luftverkehrssünder geoutet, die chronisch gegen Nachtflugverbote u.ä. verstießen. Deswegen setzten „Hapag Lloyd“ und „Hamburg Air“ alles daran, die Tätigkeit der Kommission mitzubestimmen – erfolgreich: Seit dem Frühsommer machen sie in der Fluglärmschutzkommission ganz offiziell Politik.
„Ausgerechnet die Verursacher von Krach und Gestank werden nun als hohe Lärmwächter gehandelt“, empört sich GAL-Wirtschaftsreferent Detlev Grube. Die Aufgabe der Kommission werde konterkariert. Denn an strengen Lärmschutz-Auflagen, vermutet Grube, „dürften die neuen Mitglieder nur wenig interessiert sein“. Das fürchtet auch der Hamburger Rechtsanwalt Claus Schülke, Vertreter der Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V.: „95 Prozent der Nachtflüge von Hapag Lloyd sind verspätet“, kritisierte er jüngst. Die Fluglärmschutzkommission müsse solche Zeiten vergeben, die ein pünktliches Ankommen gewährleisteten. – Mit der neuen Besetzung dürfte ihr das schwerfallen.
„Die Wirtschaftsbehörde hätte die Luft-Unternehmen nie berufen dürfen“, findet GALier Grube. Doch die Behörde verweist auf die demokratische Wahl vom 22. März, die deren Berufung vorausgegangen sei: „Über den 5. Antrag ,Aufnahme des Bezirkes Altona und der beiden Fluggesellschaften sowie weiterer Vertreter des Landes Schleswig-Holstein' wurde mehrheitlich positiv abgestimmt“, bestätigt jetzt auch der Senat. Bei Bedenken hätte die Kommission ja anders wählen können.
Kommissions-Mitglieder bestreiten das. Man habe sie quasi genötigt, so lange abzustimmen, bis das erwünschte Ergebnis – die Aufnahme der beiden Fluggesellschaften – vorgelegen habe. Entschieden wurde auch über die Aufnahme des Bezirks Altona sowie Vertretern des Landes Schleswig-Holstein. „Letztere wollten wir unbedingt dabei haben, die Fluggesellschaften aber nicht“, erinnert sich ein Mitglied. Entsprechend fielen die Wahlergebnisse über die einzelnen Anträge aus.
„Nur über die Aufnahme von Schleswig-Holstein“, so das Mitglied, „durfte merkwürdigerweise nicht gesondert, sondern nur im Paket abgestimmt werden.“ Und das war so geschnürt: Die Kieler, so die Vorgabe, würden nur im Verbund mit Altona, Hapag Lloyd und Hamburg Air aufgenommen: „Ein erzwungener, fauler Kompromiß“, kommentiert Grube.
Heike Haarhoff
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