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Sparen als Geschlechterpolitik

Studiengänge mit hohem Frauenanteil werden gekürzt, Wissenschaftlerinnen werden zurückgedrängt, Frauenforschung wird gestrichen  ■ Von Uta Schuchmann

Die Entscheidung des FU-Kuratoriums gegen die Frauenprofessur veranschaulicht die aktuelle hochschulpolitische Entwicklung, die zu Lasten von Frauen und feministischer Wissenschaft geht. Politische Entscheidungsträger geben zwar gern Lippenbekenntnisse zur Frauenförderung ab, nutzen aber die Sparpolitik, um die seit den Siebzigern mühsam erkämpften frauenpolitischen Fortschritte zusammenzukürzen. Das ist in weiblich besetzten Bereichen leicht, weil diese meist nur mangelhaft institutionell verankert sind.

Dabei sind Gleichstellung und Feminismus keine zweitrangigen Aufgaben konjunktureller Schönwetterlagen. Sie sind gerade in Zeiten knapper Mittel unverzichtbar, um so mehr, als jetzt die Weichen für die künftige Entwicklung der Arbeitsgesellschaft, des Sozialstaates und der Demokratie gestellt werden. Die Kreativität von Frauen erweist sich immer wieder als ein Antrieb für Reformen der gesellschaftlichen Institutionen und der von ihnen produzierten Werte und Inhalte.

Die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen orientieren sich ohnehin einseitig an der Lebenssituation von Männern. Die rigiden Sparvorhaben des Senats und des Bundes verschärfen nun die strukturelle Benachteiligung von Frauen auf allen Ebenen des Wissenschaftsbetriebs.

Die Einführung von Studiengebühren und die geplante Bafög- Verzinsung zu banküblichen Konditionen von 8,5 Prozent werden Frauen wieder stärker von den Hochschulen fernhalten. Ständig steigende Lebenshaltungskosten werden für studierende Mütter – immerhin 10 Prozent aller Studierenden – zusätzliche Schwierigkeiten schaffen, wenn sie starre Studienordnungen mit familiären Verpflichtungen vereinbaren wollen. Bereits heute sind für 38 Prozent der Frauen, die ihr Studium abbrechen, familiäre Gründe ausschlaggebend. Insgesamt verdienen Studentinnen bzw. Neuakademikerinnen durchschnittlich 5 bzw. 26 Prozent weniger Geld als Männer ihrer Statusgruppe. Aufgrund von Schwangerschaft und Erziehungszeit müssen Frauen Verdienstausfälle hinnehmen, die die Bafög-Rückzahlzeit verlängern. Ihr Schuldenberg nimmt durch die Zinslast zu.

Die vom Senat vorgeschlagenen und zum Teil auch schon beschlossenen Streichungen ganzer Fachbereiche treffen fast ausschließlich Einrichtungen mit hohem Frauenanteil: die Pharmazie an der HU (70 Prozent Studentinnen), Schauspiel und Architektur an der HdK (61,1 Prozent), Zahnmedizin an der FU (49 Prozent Studentinnen, 43,3 Prozent des wissenschaftlichen Personals) und Sozialpädagogik an der TU (rund 75 Prozent Studentinnen, 50 Prozent des wissenschaftlichen Mittelbaus, 31 Prozent der Professuren).

Die Stellenstreichungen und der Einstellungsstopp lassen die bisherigen Instrumente zur Erhöhung des Frauenanteils beim wissenschaftlichen Personal stumpf werden. Das Landesgleichstellungsgesetz und die Frauenförderrichtlinien der Hochschulen zielen nämlich darauf ab, den Frauenanteil im Rahmen von Neueinstellungen zu erhöhen. Davon sind besonders Bereiche mit einer hohen Fluktuation wie die Tutorien (50 Prozent Frauen) und der Mittelbau (30 Prozent Frauen) betroffen. Hier haben sich Frauen mühsam den Einstieg erkämpft – mit Hilfe von Förderprogrammen, die jetzt wieder drastisch gekürzt werden. Ohne diese Qualifikationsmöglichkeiten fehlen Nachwuchswissenschaftlerinnen, wenn im nächsten Jahrzehnt 49 Prozent der Professuren altersbedingt frei werden. Daß Frauen künftig stärker in die Spitzenpositionen vordringen können, wird zusätzlich dadurch erschwert, daß hier hauptsächlich die C3-Professuren (7 Prozent Frauen) von den Streichungen betroffen sind. Die hochdotierten C4-Professuren sind ohnehin nur zu 4 Prozent mit Frauen besetzt.

Feministische Forschung basiert überwiegend auf zeitlich befristeten Arbeitsverträgen, geringen Forschungs- und Fördermitteln sowie unzulänglicher Infrastruktur. Durch die Sparmaßnahmen verschlechtern sich diese Bedingungen zusätzlich. Die knappen Stellen und Ressourcen werden meist an Männer vergeben und von diesen genutzt, um die Besitzstände der etablierten androzentrischen Forschung zu wahren und sogar noch auszubauen.

Hier herrschen keine Sparzwänge, hier wird Ideologie betrieben. Das Etablierte wird zum Notwendigen und das Kritische zum Luxus erklärt, um ohne Begründungszwang und zum Teil sogar gegen den Willen der Hochschulgremien eine konservative Strukturpolitik durchzusetzen. An deren Ende stehen elitäre Hochschulen, die sich wirtschaftlichen Interessen willenlos unterordnen.

Die Strukturen feministischer Kommunikation und Kooperation sind bedroht. Diese Netzwerke bilden ein notwendiges Gegengewicht zu den männlichen Seilschaften, die Stellen und Forschungsmittel kontrollieren. Feministische Netzwerke fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Etablierung der Frauen- und Geschlechterforschung. Sie sorgen dafür, daß Wissenschaftlerinnen mehr publizieren können, daß Frauenförderrichtlinien ernst genommen werden, daß Frauen- und Geschlechterstudien in die Studien- und Prüfungsordnungen integriert werden.

Feministische Forschung untersucht das hierarchische Geschlechterverhältnis und macht dieses Macht- und Unterdrückungsverhältnis einer breiten öffentlichen Diskussion zugänglich. Das ist gerade heute wichtig, denn der konservative Umbau der Gesellschaft zu Lasten der unteren Einkommensgruppen vollzieht sich nicht geschlechtsneutral. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen im privaten und öffentlichen Bereich wird verschärft.

Mit dem Abbau feministischer Wissenschaft verliert diese Gesellschaft alternative Entwürfe zu den gesellschaftlichen Institutionen. Diese männlich geprägten Institutionen haben die aktuelle Krise verursacht, die ihnen jetzt außer Kontrolle gerät. Angesichts der aufgehäuften Probleme versagt die etablierte Forschung mit ihren technokratischen Teilantworten.

Frauen- und Geschlechterforscherinnen machen darauf aufmerksam, in welch hohem Maße die jeweiligen Disziplinen Ergebnisse produzieren, die von männlichen Sichtweisen und Interessen verzerrt sind. Gerade heute ist feministische Wissenschaft relevant, weil sie gesellschaftskritisch ist und einen emanzipatorischen Anspruch vertritt. Wie kaum eine andere Forschung arbeitet sie interdisziplinär, orientiert sich am internationalen Forschungsstand und ist an die Gesellschaft rückgekoppelt. Nur so können nachhaltige Reformkonzepte entwickelt werden. Ohne die Qualifikation von Frauen und ohne das Innovationspotential feministischer Beiträge zum Gesellschaftsvertrag, zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung, zum Naturverhältnis, zur Demokratie kann es keinen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise geben.

Gerade in der Krise, wenn statische Strukturen aufbrechen und dynamischen Charakter bekommen, sollte die Chance genutzt werden, Veränderungen voranzubringen. Die mühsam aufgebaute und bewährte Fraueninfrastruktur in der Berliner Uni-Landschaft muß deshalb dauerhaft gesichert und ausgebaut werden.

Uta Schuchmann studiert an der FU Politische Wissenschaft

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