: Brüderliche Hilfe in Burundis Bruderkrieg
Es klingt wie eine Erlösung: Eine ausländische Eingreiftruppe soll mit US-Unterstützung das Blutvergießen in Burundi beenden. Nur will das in dem ostafrikanischen Land selbst kaum jemand. Zunächst eskaliert der Krieg ■ Von Dominic Johnson
Alle zwei Jahre, wenn in den USA Kongreßwahlen und manchmal auch Präsidentschaftswahlen anstehen, entdecken die Vereinigten Staaten ihr Herz für Afrika. Im Sommer 1992 waren die Hungernden von Somalia das Ziel ihrer Humanität, im Sommer 1994 die ruandischen Hutu- Flüchtlinge im zairischen Goma. Dieses Jahr könnte Burundi an der Reihe sein.
Mit US-amerikanischer Unterstützung wird derzeit eine ostafrikanische Militärintervention in Burundi geplant, um ein Ende des dortigen Bürgerkrieges herbeizuführen. Bis zu 25.000 Soldaten aus Uganda und Tansania, zusammen mit Polizisten aus Kenia, sollen mit US-Hilfe in das Bürgerkriegsland geflogen werden und „allen Menschen in Burundi Sicherheit garantieren“. Der gestern in Kameruns Hauptstadt Jaunde eröffnete Staatengipfel der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) soll den Plan absegnen. „Wir unterstützen jede friedliche Lösung, die nicht auf einen Putsch hinausläuft“, erklärt ein US-Diplomat in Ugandas Hauptstadt Kampala die Motivation der USA bei der Unterstützung des Eingreifens; außerdem solle die burundische Flüchtlingskrise gelöst werden.
Seit 1993 sind in Burundi schätzungsweise 150.000 Menschen bei Kämpfen zwischen der von Tutsi dominierten Armee und Hutu- Untergrundbewegungen sowie Massakern durch bewaffnete Banden ums Leben gekommen. Die Regierung, in der sowohl Hutu wie Tutsi sitzen, hat die Massenmorde nicht beenden können. Staatschef Sylvestre Ntibantunganya, ein Hutu, kann nicht mit den Hutu- Rebellen verhandeln, weil die an der Regierung beteiligten Tutsi – allen voran Premierminister Antoine Nduwayo – das strikt ablehnen und auf einen Sieg der Armee setzen.
Aus dieser Blockade heraus entstand das Interventionsprojekt. Am 25. Juni versammelten sich die Präsidenten von Tansania, Kenia, Uganda und Ruanda, der Außenminister von Zaire, der Premierminister von Äthiopien und der Generalsekretär der OAU im tansanischen Arusha und nahmen von dem Präsidenten und dem Premierminister Burundis ein „Hilfegesuch“ entgegen. Das Hilfegesuch hatte der tansanische Vermittler Julius Nyerere den Burundern abgerungen, die damit zum erstenmal gemeinsam ihre Ohnmacht eingestanden. Die Präsenz ausländischer Truppen soll nun ein Klima schaffen, in dem Verhandlungen möglich sind.
Es ist nicht das erste Mal, daß über eine Intervention in Burundi nachgedacht wird. UN-Generalsekretär Butros Ghali bietet schon seit einem Jahr wie sauer Bier eine Blauhelmmission an, die im benachbarten Zaire auf Abruf stationiert werden soll. Das Projekt ist in der UNO immer daran gescheitert, daß Frankreich es ablehnte, während die USA zwar dafür waren, aber sich nicht selbst beteiligen wollten. Außerdem war fraglich, ob Zaire – das den Hutu-Rebellen aus Burundi ebenso Unterschlupf gewährt wie den nach dem ruandischen Völkermord von 1994 geflohenen ruandischen Hutu-Milizen – als Ausgangsbasis geeignet ist.
Diesmal spielt nicht Zaire die zentrale Rolle, sondern Uganda. Die Intervention soll von Ugandas internationalem Flughafen in Entebbe aus koordiniert werden, wo die USA logistische Hilfe bei Transport, Kommunikation und medizinischer Versorgung gewähren wollen. Dies hat gegenüber Butros Ghalis Projekt den Vorteil der Machbarkeit. Ein Mitarbeiter im ugandischen Außenministerium weist darauf hin, daß man mit US-Logistik in Entebbe schon 1994 bei der Versorgung der Ruanda- Flüchtlinge in Goma gute Erfahrungen gemacht habe.
Doch Ugandas Präsident Yoweri Museveni gilt als ebenso tutsifreundlich, wie Zaires Diktator Mobutu als Verbündeter der Hutu agiert. Als Museveni vor seiner Machtergreifung 1986 im Busch kämpfte, waren ruandische Tutsi-Exilanten, die später die Ruandische Patriotische Front (RPF) gründeten und heute in Ruanda regieren, seine Waffenbrüder. Uganda hat auch einigen der burundischen Tutsi-Soldaten Asyl gewährt, die 1993 den ersten frei gewählten Präsidenten von Burundi ermordeten. Die Beteiligung von Tansania und Kenia – die als eher hutufreundlich gelten – soll das ausgleichen; außerdem soll Tansania die Eingreiftruppe kommandieren. Doch bleibt Uganda Drehscheibe der Intervention.
Nun war dies offenbar die Bedingung, damit Burundis Premierminister Antoine Nduwayo überhaupt dem Hilfegesuch seinen Segen gab – zuvor hatte er eine ausländische Intervention immer abgelehnt. „Museveni ist der einzige, dem die burundische Armee traut“, sagt Burundis Justizminister Gérard Ngendanbanka. Und Hauptzweck der Intervention soll ja sein, ein Klima des Vertrauens zu schaffen.
Doch in der polarisierten Stimmung in Burundi ist Vertrauen ein Nullsummenspiel: Faßt die eine Seite Vertrauen, wächst auf der anderen das Mißtrauen. „Wir sind der Ansicht, daß die ugandischen Truppen nicht neutral sind und sich mit der Armee Burundis verbünden werden“, sagt Léon Ndarubagiye, Sprecher der burundischen Hutu-Rebellenbewegung CNDD. Er stellte sich unlängst im taz-Interview eine ausländische Intervention so vor, daß UN-Truppen das burundische Armeehauptquartier besetzen. Da das nicht geschehen wird, kündigt die CNDD nun an, sie werde „jede ausländische Truppe, die außerhalb eines Verhandlungsrahmens nach Burundi kommt, als Invasoren betrachten“.
Aber auch die Tutsi-Seite ist nicht besonders begeistert. Viele radikale Tutsi in Burundi sehen nicht ein, warum ihre glorreiche Armee jetzt auf Befehl von außen mit dem Feind verhandeln sollte. Einen „Akt des Hochverrats“ nennt die wichtigste Tutsi-Partei „Uprona“, der auch Premierminister Nduwayo angehört, das Hilfegesuch von Arusha und ruft zum „Widerstand gegen diesen Verrat und diese Invasion“ auf. Am vergangenen Donnerstag demonstrierten Tutsi-Studenten in Burundis Hauptstadt Bujumbura gegen die Intervention. Verteidigungsminister Firmin Sinzoyiheba forderte schon das Oberkommando über die Eingreiftruppe. Expräsident Jean-Baptiste Bagaza – ein Tutsi, der in der Armee großen Einfluß genießt – spricht offen von der Möglichkeit, die Regierung zu stürzen.
So könnte der Interventionsplan gerade jene Eskalation herbeiführen, die er eigentlich verhindern soll. Hutu-Rebellen warfen der Armee letzte Woche vor, im Nordwesten des Landes 1.000 Hutu getötet zu haben, und übernahmen ihrerseits Verantwortung für ein Massaker in einer Teefabrik im selben Gebiet, bei dem über hundert Menschen starben.
Nun ist hektische Diplomatie im Gange. Die US-Gesandten Richard Bogosian und Howard Wolpe bereisten letzte Woche die Region, während die ostafrikanischen Verteidigungsminister in Tansania logistische Einzelheiten diskutierten und Burundis Premierminister Nduwayo in Kampala den ugandischen Präsidenten Museveni traf. Aus US-Kreisen verlautet, daß auch Frankreich eingebunden werden soll, der größte Geldgeber der burundischen Regierung. In Burundi wollte die Regierung am Wochenende sich noch einmal überlegen, um was für eine Art Hilfe sie eigentlich genau nachgesucht hat. Vielleicht will sie jetzt ja gar keine mehr. Dann könnte der Krieg weitergehen.
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