: Sie können den Künstler anfassen
■ Blauer Himmel half nicht: Premiere des Sunset-Varietés
Die Kastagnetten der Flamencotänzerin klangen verdächtig nach Plastik, dem Magier ragten die weggezauberten Gegenstände aus der Hosentasche, und das Publikum erfreute sich vor allem der einigermaßen lauen Sommernacht: Der Open-air-Auftakt des Sunset-Theaters in der Ufa-Fabrik entpuppte sich mehr als harmlose Urlaubsshow denn als spannendes Varietéprogramm. Abgedroschene Animation und biegsame Artistik wurde häppchenweise gereicht, im besten Vertrauen darauf, daß Freiluftbühne und lauschiger Sommergarten schon für den nötigen Applaus sorgen würden.
Aber Irrtum, es reichte nicht ganz. Zwar hob das nachtblaue Paillettenkostüm der Trapezkünstlerin sich stimmungsvoll gegen den Tempelhofer Sternenhimmel ab, zwar glänzte ein ehemaliger Europameister mit atemberaubenden Verrenkungen auf einem frisierten BMX-Rad, zwar ließ ein Balance-akrobat kunstvoll kontrolliert bis zu fünf Fußbälle um seinen Körper herumrollen – doch Varieté braucht nicht nur unbestrittene Fertigkeiten, sondern auch Charme, Humor und Tempo. Sehnsüchtig bis zum Ende der Show erwartet und vermißt: Eine richtig schöne, intelligente Lachnummer, gute, neudeutsche Wort- Comedy neben all den trainierten Körpern.
Versöhnen könnte der junge Tuan Ahn Le, der seine schnelle und stimmige Hut-Jongliernummer mit beständigem Witz im Knopfloch begleitete. Blaß dagegen blieb der Zauberer und Conferencier Daniel Rheinsberg, dessen Moderation eigentlich hätte der Motor des Abends sein müssen.
Allzu deutlich wurde seine Herkunft aus dem Kinderfernsehen jedoch spätestens, als er als Bauchredner klassisch-altbackene Zwiesprache mit einem furchtbar frechen Stoffvogel hielt. Mit wenig Gespür für das richtige Timing einer Pointe brachte Rheinsberg das Kunststück fertig, einen Hundertmarkschein aus dem Publikum zu zerreißen und wieder herbeizuzaubern, ohne daß auch nur ein einziger Zuschauer ansatzweise um das Geld gebangt hätte. Altbekanntes wie „Sie können den Künstler anfassen“ und „Bei der Probe hat der Trick leider nicht geklappt“ konnten keine Lacher mehr erzielen.
Sechs weitere Wochenenden des Sunset-Varietés unter dem Motto „Die romantischen Schönheiten des Lebens“ lassen mit jeweils wechselndem Programm und insgesamt 30 Künstlern auf flottere Nummernkompositionen hoffen. Aber wenn schon Flamenco, dann bitte nicht wieder zu Musik vom Wiener Opernball. Ulrike Heesch
Sunset-Varieté in der Ufa-Fabrik, 12. 7. bis 24. 8.
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