Klangbad im Männergarten

■ Mit Prägeformen der 70er Jahre stanzen sowohl Soundgarden als auch Das Weeth Experience romantische Vorstellungen vom klingenden Amerika

Sie heißen immer noch Klanggarten und nicht Liedgarten. Auch und gerade nach Black Hole Sun aus dem Jahr –94, die ihnen die zweischneidige Aufmerksamkeit der gewaltigen Rockballadenklientel – also der halben amerikanisierten Menschheit – einbrachte. Natürlich geht eine Band, deren Ursprünge nicht zu Unrecht beim seinerzeit kreativsten US-Indie-Label SST liegen und die innerhalb von Grunge als coole Eckensteher im Privaten fetischisierbar waren, nach einer solchen Entwicklung erstmal wieder produktionstechnisch zurück.

Die fürchterliche Zuschreibung „ehrlich“ ist da nicht im Spiel, es geht vielmehr um den Moment der Selbstgenügsamkeit, wenn Chris Cornell davon spricht, daß sie rauh und direkt am besten sind. Von Ehrlichkeit oder gar Wahrhaftigkeit war sowieso nie die Rede, am deutlichsten nachzuvollziehen in Cornells Texten, die den Inhalt stets der Ästhetik unterordnen. Nicht nur diesbezüglich viel näher an Led Zeppelin als an Nirvana. Gutaussehend, arrogant-distanziert, metallisch-psychedelisch. Oder „Wut verwandelt sich in Göttlichkeit“, wie ihre Plattenfirma dichtet.

Cornell kann das nachvollziehen, diese Vorstellung von transzendentaler Raserei oder vom akustischen Weg von ganz unten nach ganz oben, in seinen aktuellen Vorlieben – Jeff Buckley und den Young Gods – findet sich bei allen Unterschieden ähnlich himmelsberührendes, geschmackvoll gebrochenes Pathos. Davon sind auch die Experimente auf Down On The Upside nur Abstecher, der Hillybilly-Punk, die mit Tortoise verwandten Rhythmusschichten, der aufblinkende jazzige Feinsinn verstärken eher die über allem schwebende kreative Verwaltung der guten Vergangenheit.

Auch die Band, die zwei Tage später in einem anderen Raum des gleichen Gebäudes spielt, hat ihre irreversible Prägung in den 70ern erhalten. Genau wie Soundgarden haben sich Das Weeth Experience eine lebendige Struktur innerhalb von Rock erarbeitet, die von richtig verstandenem Traditionalismus kündigt. Weder Cornell noch Weeth-Sänger Christoph Jessen setzten ihre Hoffnung in neue Musik, sondern erhalten lieber eine bei aller Gebrochenheit romantische Vorstellung vom klingenden Amerika.

Wobei die Hamburger noch US-fixierter sind. Denn die Stelle, die bei Soundgarden das britische Luftschiff einnimmt, besetzt bei Das Weeth Experience der alte Exil-Indianer Neil Young, und während das Quartett aus Seattle seine Psychedelik durch Dynamik erweitert, heißen die diesbezüglichen Achsen der Hamburger ausschließlich Feedback und Ruhe. Doch egal, ob es nun flirrende Vielfalt kulminierender Hochfrequenzen ist oder das langsame Auswabern eines mollig-verzerrten Akkordes. In beiden Fällen vermittelt sich das Glück von Männern, die voll Begeisterung im eigenen Klanggarten baden. H. in't Veld

Soundgarden: Sa, 28. September, Docks / Das Weeth Experience: Mo, 30. September, Prinzenbar