: Drei, vier Kilo Träume
■ HSV schlägt Dortmund 2:1 und hält die Bundesliga. Amateur-Spieler Dirk Weetendorf erköpft beide Tore
Unweit des Volksparkstadions ging es nach Spielschluß turbulent zu. Auf dem Gelände der Bahrenfelder Trabrennbahn, nur einen weiten Abschlag von der Stellinger Arena entfernt, begannen die Rockbands Die Ärzte und Kiss mit ihrem Open-Air-Auftritt. Vor allem die US-Veteranen wußten, was von ihnen verlangt wurde. Ihr Comeback-Hit „God Gave Rock'n'Roll To You“war einer der vielen Höhepunkte.
Nun hat der Herr den Menschen aber nicht nur den Rock'n'Roll gegeben. Manchen hat er auch noch die Fähigkeit verliehen, besonders gut Fußball spielen zu können. Doch – leider Gottes – war davon am Sonnabend nachmittag nicht viel zu sehen. Der Kick zwischen dem HSV und Dortmund war ein grauseliger. Wenigstens schien die Sonne beim 2:1-Sieg, der dem HSV den Klassenerhalt sicherte.
„Wir haben sehr schwach gespielt“, erkannte auch BVB-Coach Ottmar Hitzfeld, „in der ersten Halbzeit war es mehr Standfußball.“Besonders grämen mochte sich der 48jährige jedoch nicht. „Wenn die anfangen, hart zu spielen, treten wir zur zweiten Halbzeit gar nicht mehr an.“So hatte Hitzfeld vor dem Duell beim HSV gesprochen. Keine Frage, warum die Dortmunder wie ein launiges Grüppchen auf Betriebsausflug an der Elbe agierten. „Nichts passiert“, konnte Hitzfeld anschließend Vollzug melden: alle Mann fit für das Champions-League-Finale gegen Turin am Mittwoch.
Von solchen sportlichen Highlights kann der HSV derzeit nur träumen. Überhaupt geben sich die Hamburger Phantastereien hin. Kaum hat ein Regionalliga-Spieler wie Dirk Weetendorf einmal zwei Tore geköpft, wird gleich über die Wiedergeburt eines Horst Hrubesch fabuliert. Die Fans gehen sogar noch weiter und rufen den 24jährigen Horst-Uwe. Warum so bescheiden und nicht Horst-Uwe-Kevin-Charly-Felix?
Interimstrainer Ralf Schehr scheint zu ahnen, was auf seinen Schützling zukommt und zog die Notbremse. „Weetendorf ist bundesligareif“, sagte der Amateurtrainer, „aber keine Reinkarnation von Hrubesch“. Einen Rat gab Schehr dem Shootingstar noch mit auf den Weg: „Drei bis vier Kilo abnehmen.“
Schehr selber will hingegen noch zulegen – jedoch nicht sofort. Auch er sei bundesligareif, aber die erste Liga habe noch Zeit. Trotz des gelungenen Einstands will er weiter den Nachwuchs betreuen. Von seinem Nachfolger hat Schehr genaue Vorstellungen: „Er muß ein Mittelding zwischen Magath und mir sein.“
Vielleicht wird es ja Frank Pagelsdorf, Trainer in Rostock. Der nicht nur vom HSV Umworbene will seine endgültige Entscheidung diese Woche bekanntgeben. Clemens Gerlach
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