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Total Frau sein

Sentimentalitäten müssen draußen bleiben: Das Arsenal präsentiert einen Überblick über feministische Filmfestivals, der auch Rückblick sein soll  ■ Von Gudrun Holz

Knapp 25 Jahre nachdem Claudia von Alemann und Helke Sander zum ersten Frauenfilmseminar in den Räumen des Arsenals luden, scheint es Zeit zu sein für eine Standortbestimmung feministischer Filmarbeit. Fünf europäische Festivals – das jüngst gegründete „International Women's Filmfestival“ aus Minsk, das in diesem Jahr 20jährige Festival in Créteil, die „femme totale“ aus Dortmund, das „Nordic Glory Festival“ aus Skandinavien, die Feminale aus Köln – veranstalten erstmals gemeinsam eine Reihe mit ausgewählten Filmvorführungen und Rahmenprogramm. Jedes der Festivals bringt dabei eine eigene programmatische Filmauswahl mit. Auch wenn ein ganzer Programmblock („Filme mit Herz und Pfeil“) Klassiker von Regisseurinnen versammelt, gehe es, so Stefanie Schulte Strathaus vom Arsenal, nicht vorrangig darum, „im Genuß der Siebziger-Jahre-Ästhetik zu schwelgen und gerührt zu sein von der damaligen Radikalität der Frauen in der Männerdomäne Film“.

Gestützt auf den Fundus des Archivs der „Freunde der Deutschen Kinemathek“ wurde die umfangreiche Filmschau in Zusammenarbeit mit dem Verein „Blickpilotin e.V.“ zusammengestellt. Von „Pytel Blech“ („Ein Sack Flöhe“, 1962), dem tagebuchartigen Report von Vera Chytilova aus einem Mädchenwohnheim bis zu „The Go-Blue Girl“ (GB 1978) mit Nina Hagen sowie einigen Frühwerken wie Chantal Akermans „Saule ma vie“ (1969) und Ulrike Ottingers Performancefilm „Vorstell/Berlinfieber“ (1973) reicht die Auswahl, die sowohl als Gedächtnisstütze als auch Debattenhintergrund der begleitenden Diskussionsveranstaltung dienen dürfte.

Dem stellt das siebentägige Programm neben den Schauen der einzelnen Gastfestivals die thematische Schiene „Ohneland“ gegenüber, in der Filme zu sehen sind, die in der jüngeren Vergangenheit entstanden sind. Benannt nach dem gleichnamigen Videokurzfilm von Hatice Ayten, geht es hier um die Perspektiven von Immigrantinnen der zweiten Einwanderungsgeneration. Ayten liefert ein Gesprächsprotokoll junger Frauen, wozu ihre Kamera in verwaisten Hinterhöfen herumstöbert, unschlüssig zwischen Klischee und Anklage. Mit dem Motto „... es kommt darauf an, sie zu verändern“ greift das Berliner Festivaltreffen einerseits einen 72er Filmtitel auf und meint andererseits nicht weniger als eine Neubestimmung der bisherigen Festivalkonzepte. Alles, bloß keine Retrospektive.

„Feministische Festivals in Europa von 1973–1997“, 19. bis 25.9. Arsenal, Welserstraße 25

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