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Chancen für den schlechten Song

■ „Gib deiner Plattensammlung ein Revival“: Im Fix-Club lädt die Künstlerin Betty Stürmer heute zum 21. Mal zu „DJ Everybody“ ein

Seit mehr als zehn Jahren ist die Neo-Pop-Künstlerin Betty Stürmer nun schon mit der Partyszene liiert. Ende der achtziger Jahre wirkte sie im legendären Kreuzberger Fischbüro mit, seit 1991 veranstaltete die Künstlerin Partys in ihrem Atelier. Dann kamen Jim Avignons Radiobars und eigene Ausstellungen und Performances im Künstlerhaus Bethanien, in der Galerie Loulou Lasard, der Allgirls Gallery und im Boudoir.

Die Idee der Party, die bildende Kunst, Performances und Musik als eigene Kunstform vereint, ist heute nun gewiß nichts Neues mehr. Daher wird es – so sieht es zumindest die Künstlerin – auch immer schwerer, auf Partys etwas Besonderes zu erleben. Es sei denn, man macht etwas, was man sonst nie tun würde. Zum Beispiel eine Auswahl seiner angestaubten Lieblingsschallplatten bei einer öffentlichen Party zwischen Betty Stürmers Kunstwerken vorzuspielen. „DJ Everybody“ nennt Stürmer das populistische Event, das sie heute zum 21. Mal veranstaltet.

Jeder, der keine Angst vor Blamage, alte Platten und sich vorher in eine Liste eingetragen hat, darf der DJ-Star des Abends sein. Minimale Spielzeit: 15 Minuten. Daß jeder ein Künstler ist, sagte schon Beuys – aber im kleinen Fix-Club muß man das an jedem ersten Donnerstag im Monat auch zeigen. Wobei es Betty Stürmer nicht stört, daß ihre Werke dabei zur Deko verkommen und von den Gästen als gegeben hingenommen werden. „Meine Arbeiten sind genau für diesen Rahmen gemacht. Nach einer Weile kommen sie wieder weg, und dann fällt auf, daß etwas fehlt. Das ist genau die Kunst, die ich mag!“

Vom Fluxus der sechziger Jahre inspiriert, erklärt Betty Stürmer die Party selbst zum Kunstwerk, zur „sozialen Skulptur“. Und die Frage, wer auf dem Event am Ende wen unterhält, klärt sich unter den Gästen spontan: „Ich hatte einfach keine Lust mehr, allein auf der Bühne zu stehen, wo ich dem Publikum etwas zeigen muß.“

Das Konzept heißt Ungewißheit. Der Abend soll eine Komposition aus unterschiedlichen DJ- Sets sein, ein „Kaleidoskop aus Musik jeder Art“, bei dem sich die Gäste untereinander mit ihren Plattensammlungen überraschen. Die Mischung der Musikstile mache dabei schon mal einen Spagat zwischen Easy Listening und Punkrock, HipHop und Trance, Schlagern, Rockabilly und Surf. Erlaubt ist alles. Und je älter die Platten, desto lieber ist es der Gastgeberin, die zur Zeit übrigens ein Faible für Easy Listening hat. DJ Everybody – das sollte für die Gäste auch eine Art „Archäologie im Plattenschrank“ sein, ein Forschen nach der eigenen Geschichte. Betty Stürmers Motto: „Gib auch deiner Plattensammlung ein Revival!“ Nur Mut, denn selbst der schlechteste Song kann, im rechten Moment gespielt, einer Party den Kick geben. Kirsten Niemann

Jeden 1. Donnerstag im Monat. Heute: „Die sitzenden Madonnaz – Tanzgelage mit Tee und Wasserpfeife“. Ab 22 Uhr im Fix-Club, Weinbergsweg 27, Mitte. Eintritt 8 DM, DJs 5 DM

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