Hinterhältig glimmen

Glitzerräder im Fenster sind penetrant, aber ehrlich. Im Gegensatz zu Leuchtpyramiden  ■ Von Elke Spanner

Wie er mich immer anglotzt! Als würde mir das gefallen. Als würde er mir gefallen. Aber dieses aufgedunsene Gesicht. Die schütteren Haare. Der dicke Bauch. Und dann diese Augen. Ich will nicht boshaft sein, aber der Begriff Schweinsäuglein drängt sich mir einfach auf, wenn ich an seinem Fenster vorbeigehe.

Immer sitzt er da. Glotzt mich an. Und wackelt mit dem Kopf. Brrr. Ich fühle mich belästigt. Erst das Anwohnerparken in meiner Straße, und dann auch noch diese penetranten Nikoläuse. Seit einer Woche wohnt der Plastikgeselle im Nebenhaus, im Fenster, zwischen Jalousie und Scheibe. Anstatt wenigstens mit Lebkuchen zu locken, schwenkt er eine elektrische Kerze aufgeregt hin und her, als wäre er Queen Elizabeth und wolle seinem Volk gönnerhaft zuwinken. Und das soll schön sein?

Niemand kann diese Weihnachtsfensterdekorationen hübsch finden. Am wenigsten diejenigen, die sie anbringen. Denn die Kerzendreiecke, Glimmerräder, gesprühten Schneeschlitten und kopfwackelnden Nikoläuse stehen ausschließlich in Wohnungen, deren Fenster ganzjährig mit blickundurchlässigen Gardinen verhängt sind. Daß die Dekorationen immer zwischen Gardinen und Fenster hängen, hat für die Leute, die in den Wohnungen leben, den Vorteil, daß sie selbst nicht sehen müssen, was sie angerichtet haben. Im Gegensatz zu den PassantInnen, und daß ihnen das zugemutet wird, kann nur als Belästigung bewußt inszeniert sein. Was vordergründig als Symbol des Festes der Liebe und der Besinnlichkeit daherkommt, ist hinterhältiger, weihnachtlich eingepackter NachbarInnenterror.

Am schlimmsten sind diese Dreiecke. Fünf Kerzen stehen nebeneinander wie Olympiasieger auf dem Treppchen. Die tun immer so, als wären sie unscheinbar. Stehen einfach nur so herum, ohne sich zu bewegen, und leuchten vor sich hin. Man dreht sich um – steht da so ein Dreieick. Man verliert einen Handschuh, bückt sich, richtet sich wieder auf – steht da so ein Dreieick. Und dann bilden sie sich auch noch ein, allein ihrer Baumform wegen etwas mit Weihnachten zu tun zu haben.

Viel ehrlicher und deswegen vergleichsweise toll sind diese Glitzerräder. Die sind bunt und unglaublich penetrant. Sie funkeln und sprühen pausenlos. Das nervt zwar, vor allem, wenn man gegenüber wohnt und seine Tage und Nächte in einer 24-Stunden-Disko verbringen muß. Aber sie imitieren wenigstens keine Weihnachtsbäume. Leuchten nicht hinterhältig, sondern blinken offensiv.

Bald ist der Weihnachtsterror vorbei. Und mit ihm die Angst. Die Angst vor bösen Verwechslungen. Denn nicht auszumalen, wenn jemand die Fenster verwechseln und eine unbescholtene SchmuckgegnerIn für die DekorateurIn halten würde.