: Hau rein, wenn's gut riecht: die Instincto-Therapie
Eine bislang kaum beachtete Ernährungstheorie zeigt neue Wege im Diäten-Dschungel auf: die Instincto-Therapie. Der Franzose Guy-Claude Burger kam auf die Idee, den Menschen alles essen zu lassen, worauf er Lust verspürt und was gut riecht. Dabei vertraut der Rohkostfreak aus Longueville darauf, daß der Hungrige seinen Instinkten folgend nur das für ihn Bekömmliche verspeisen wird. Innere Stimmen, die schnurstracks zum nächsten Kneipentresen lotsen wollen, sind tunlichst zu überhören.
Gesunde Ernährung nach Burger, empfohlen in der Monatszeitschrift Natur & Heilen, ist nicht länger eine Sache des Verstandes. Der humanitäre Pluspunkt: Kalorientabellen sind so obsolet wie der gute Vorsatz, auf dem Frühstücksteller nur ein einsames Radieschen schaukeln zu lassen. Zumal letzterer in der Regel sowieso nach drei Tagen vor dem Schokoriegelsortiment am Spätverkaufskiosk endet. Die Instincto-Therapie soll dagegen – richtig angewandt – wie ein Jungbrunnen wirken. Ein Kriterium, das eigentlich unters Sponsoring-Gebot der Krankenkassen fällt.
Und so funktioniert der heilende Spürsinn: Ganz früher, also bevor Tiefkühlreibekuchen und die Fünf-Minuten-Terrine erfunden wurden, da aß der Mensch noch so, wie er sollte. Sein Heißhunger richtete sich – immer der Nase nach – automatisch auf die richtigen Nährstoffe. Guy-Claude Burger ist davon überzeugt, daß der Ernährungstrieb uns einen gesunden Speiseplan diktieren würde, wenn man ihn ließe.
Und ihm etwas auf die Sprünge hilft: Im Zeitalter des Schlemmens ist offenbar mancher Instinkt unter kulinarischen Durchtriebenheiten a la „Steinpilzsoufflé an marinierten Rehohrläppchen“begraben worden. Auch wer an keinem amerikanischen Bratklops vorbeikommt, ist ernährungstechnisch in eine Sackgasse geraten. Burger empfiehlt, alles was Spaß macht (Alkohol, Schokolade, Zigaretten) für eine Woche außer Sichtweite zu bringen und durch naturbelassene Früchte (Birne ohne Helene), Gemüse (Spinat ohne Blubb) und Nüsse (nicht im Nutella-Glas) zu ersetzen. Milchprodukte sind tabu.
Die Speisen müssen in jedem Fall roh beziehungsweise unbearbeitet sein. So könne man der verfressenen Zivilisation ein Schnippchen schlagen und zu seinen Urinstinkten zurückkehren. Aber Vorsicht: Die Theorie der heilbringenden Instinkte gilt nur für den Ernährungstrieb.
Lisa Schönemann
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