: Im Geist von Alec
■ Schöne Musik und flächige Geräusche: Die Post-Elektroniker von Rope im Maria
Es gab einmal Zeiten, da hießen Platten elektronischer Musik „Open your mind so I can piss in your brain“, und wer mehr als ein Telefonbuch zu Hause stehen hatte, mußte an der Tür einen Studentenaufschlag zahlen, wenn er überhaupt hinein durfte. Das waren wilde Tage, und sie sind vorbei. Zuerst nannten sich Labels, wenn sie aus Frankfurt kamen, Mille Plateaux – nach dicken Philosophie-Büchern –, dann Max und Ernst und mittlerweile Max Ernst, wenn es Köln war, oder Geist aus Berlin.
„Rope Hotel“ von Rope war eine der ersten Platten auf Geist Records. Ein Label, das der umtriebige Alec Empire vor knapp zwei Jahren ins Leben rief, um im eigenen Hause das weiterzuführen, was er mit seinen diversen Soloprojekten bei anderen Plattenfirmen schon begonnen hatte: nämlich experimentelle Musik jenseits des Noise-Imperativs von Atari Teenage Riot zu produzieren. So bekam Digital Hardcore Recordings, das Bombenlegerlabel aus der Krachmacherstraße, eine gebildete Tochter. Und Rope stand dieser gut zu Gesicht.
Vom Cover grüßten das Forum-Hotel am Alexanderplatz und der Fernsehturm, aus den Lautsprechern kam schöne Musik. Ein gezupfter Bass, ein langsamer Rhythmus mit metallischem Nachhall und dazwischen flächige Geräusche, die sich manchmal anhören wie das durch Watte gefilterte Kreischen der U-Bahn zwischen den Stationen Alexander- und Rosa-Luxemburg-Platz. Hin und wieder schlagen Saiten an, und im Hintergrund rauscht es elektronisch-dissonant, aber freundlich. Auch ein gewisses Dub-Moment ist nicht zu leugnen. Die beiden Köpfe hinter Rope sind Jay Rope und Rob Cummings. Jay Rope verbrachte seine Zeit schon als Akkordeonspieler in Texmex-Bands in Austin, Texas, und als Gitarrist mit einem ähnlich gelagerten Trio auf Cajun- und Bluegrass-Festivals in New England. Und jenseits solch eher analog gelagerter Musik hantiert Rope schon mit Computern herum, seit er auf Tasten hauen kann. Bei so verzweigt angelegten Einflüssen und so viel Weltgewandtheit wundert es kaum, daß sporadisch auch ein Jazzpiano seinen Weg in die Rope-Tracks findet oder Acid-ähnliches Geschraube vor nebligen Klangkulissen. Jay Ropes Partner Rob Cummings zeichnet für die Rhythmen verantwortlich, für die er sich sowohl eines Schlagzeugs als auch elektronischer Geräte bedient.
Ihren Auftritten eilt ein guter Ruf voraus. Elektronisches vermischt sich mit Akustischem, und selbst gestandene Post-Indierokker, die vor Jahren noch darauf bestanden hätten, es mit experimentell-elektronischer Weicherei keine drei Minuten in einem Raum auszuhalten, bestehen darauf, zu Rope die Hüften geschwenkt zu haben. Aber die Tage der großen Glaubensfragen sind ja auch vorbei. Und nicht nur die Platten und ihre Labels, auch die Clubs haben ihre Namen geändert und heißen nicht mehr For You, Trash, Colosseum oder E-Werk, sondern Maria. Und ebendort geben Rope sich heute abend die Ehre. Daß es sich um das Etablissement am Ostbahnhof handelt und nicht um den Houseclub in der Auguststraße, versteht sich dabei von selbst.
Tobias Rapp
Ab 22 Uhr im Maria, Straße der Pariser Kommune 8–11
Selbst gestandene Post-Indierocker bestehen darauf, dazu schon die Hüften geschwenkt zu haben
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