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Die Kaugummis des Kunstbetriebs

■ Florian Haas und Martin Schmidl erforschen in Frankfurt am Main autonome Karrierebilder und andere „Mikrosysteme“

Wer Florian Haas und Martin Schmidl einlädt, an einer Ausstellung teilzunehmen, bekommt nichts, was man bequem an die Wand hängen oder irgendwo aufstellen kann. Ihr Beitrag zur letztjährigen Werkleitz-Biennale bestand zum Beispiel darin, in Gesprächen mit den Bewohnern des kleinen Ortes in Sachsen-Anhalt etwas über deren Geschichte und Lebensumstände zu erfahren. Der O-Ton wurde dann mit unschmucken Fotografien illustriert und als kleines Büchlein an die Werkleitzer „zurückgegeben“. Ihr künstlerischer Beitrag bestand also eher aus Recherche, sozialem Kontakt und Dokumentation – nichts, was Rückschlüsse auf irgendeine künstlerische Handschrift oder gelungenen Ausdruck böte. Ihre Intention ist Neugier für das, was normalerweise im Alltäglichen verborgen bleibt.

Ein weiteres Mittel, diese Neugier zu stillen und öffentlich zu machen, ist der von ihnen mitherausgegebene „finger – newsletter für aktuelle kulturphänome“. Darin weisen sie beispielsweise auf das Institut für Schweineforschung, das Museum of Jurassic Technology in Los Angeles oder auf Hans Weil hin, den Pionier der Holografie. Das alles geschieht, ohne diese „Phänomene“ als Spektakel des Abseitigen zu verkaufen. Der „Finger“ fungiert eher als Raum, in dem Spezialdiskurse und speziellste Interessen aufeinander treffen – zusammengehalten werden sie lediglich dadurch, das Schmidl und Haas (plus ein paar Mitstreiter) sich dafür interessieren.

Das ist auch der Impetus, der hinter ihrem „Ausstellungsraum“ steht, einem kleinen Showroom mit großem Schaufenster in der Frankfurter Innenstadt. Sie betreiben ihn seit 1992, und er ist damit eine Art lokaler Matrix aller seitdem aus dem Boden gesprossenen (und in vielen Fällen dort wieder versunkenen) unabhängigen, von Künstlern oder ihren Freunden initiierten Räume. Dass dort inzwischen auch institutionell durchgesetzte Künstler wie Stefan Hoderlein oder Andreas Siekmann frühe Ausstellungen machen konnten, ist weniger wichtig als der Charakter eines undefinierten Ortes, in dem im Laufe der Jahre der soziale immer wichtiger als der künstlerische Aspekt war.

Trotzdem scheint das Paar Haas/Schmidl unbeabsichtigt zu so etwas wie elder statesmen der selbst organisierten Kunstszene geworden zu sein. Insofern ist ihre aktuelle Ausstellung in Frankfurt auch ein Versuch, sich an dieser Last abzuarbeiten. Seit 1997 haben sie Gespräche mit Macherinnen und Machern regionaler artist front spaces und Künstlerorganisationen geführt. Diese sind nun in dem Buch „Mikrosysteme“ dokumentiert, das in der Frankfurter Ausstellung ausliegt. Mikrosysteme deshalb, weil Schmidl und Haas der Frage nachgehen, wie sich solche Initiativen zu den Makrosystemen Kunst und Gesellschaft verhalten. Sind sie lediglich Öl im Getriebe und produzieren die Sahne, die früher oder später von denen abgeschöpft, die sich damit „ganz vorne“ zeigen wollen? Für ihren Anspruch, sich dieser sozusagen systemimmanenten Struktur zu widersetzen, haben sie ein einfaches, aber klebekräftiges Symbol gefunden: Die Decke, die Wände und das Fenster des Forums der Sparkasse von 1822, einer bescheidenen, aber altehrwürdigen Frankfurter Kunstinstitution, ist übersät mit gut durchgekauten Bubblegums. Martin Pesch

Bis 1. Oktober, 1822-Forum, Frankfurt. Informationen zu „finger“: www.finger-news.com

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