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Schulden, das Geld – und Russland

■  Große Finanzkonferenz in Washington: Industrieländer tadeln Russland, zahlen aber weiter. Ein Brief belegt, wie die Weltbank versucht, Propaganda für ihre Projekte zu machen

Berlin/Washington (taz/dpa/AP) – Es ist das große Treffen der internationalen Finanzexperten und Minister, das Jahrestreffen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Washington diese Woche. Schon im Vorfeld sprechen auf diversen Treffen alle über die Themen, die sie international gerade interessieren.

Beim deutschen Finanzminister Hans Eichel (SPD) war das zuallererst der große Nachbar Russland. Die Vorwürfe an die Umgebung des Kreml und russische Unternehmen, sie hätten Milliarden von Dollar im Westen gewaschen, darunter auch Hilfskredite der internationalen Finanzorganisationen, hört keiner gerne. Zum Glück lassen sie sich nicht belegen. Und so beschlossen die Finanzminister der reichen G-7-Staaten, Russland weiter Kredite zu gewähren.

Verpackt wurde dieser Beschluss allerdings in harte Worte: Antikorruptionsauflagen hätten sie beschlossen, so die Minister. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll die fällige nächste Rate seines Russlandkredites erst ausahlen, wenn die Moskauer Zentralbank ein Kontrollsystem eingerichtet hat, das jeden Missbrauch der Gelder ausschließt. Die russische Delegation forderte vergeblich die sofortige Freigabe der fälligen 640 Millionen Dollar.

Die Minister und Notenbankchefs der G 7 hatten auch ein Hez für die Armen. Sie bekräftigten das Ziel, die ärmsten Entwicklungsländer zu entschulden und beschlossen die Bildung einer um elf wichtige Schwellenländer erweiterte Gruppe zur Koordinierung der Weltwirtschaft. Darunter sind Russland, China und Brasilien. Dieses neue Gremium soll zur Stabilisierung der Weltwirtschaft beitragen. Die „G 20“ soll erstmals im Dezember in Berlin tagen.

Die sieben nach dem Bruttosozialprodukt größten Industrieländer begrüßten Bemühungen von IWF und Weltbank, ihre Beiträge aus vorhandenen Mitteln zu leisten. Jedoch konnte noch keine Lösung gefunden werden, woher die beiden Organisationen das Geld nehmen sollen. Eichel äußerte aber die Erwartung, dass das Problem bis zum Beginn der Jahresversammlung von IWF und Weltbank am Dienstag gelöst sein werde.

Allgemein wolle man das Schuldenthema mit der Armutsbekämpfung enger verknüpfen, sagte Eichel. An den rund 70 Milliarden Dollar (130 Mrd Mark) Schuldenerlass über einen großen Zeitraum sei Deutschland mit acht bis neun Milliarden beteiligt.

Die Vertretung der Entwicklungsländer, die Gruppe der 24 (G 24), sprach sich für eine stärkere Beteiligung privater Banken an den Bemühungen um die Überwindung internationaler Finanzkrisen aus. Der private Sektor müsse stärker einbezogen werden, sagte die sri-lankische Präsidentin Chandrika Bandaranaike, die am Samstag in Washington als erste Frau den Vorsitz des G-24-Treffens führte. Der IWF solle im Notfall nur als letzte Rettung mit Krediten einspringen, erklärte Bandaranaike.

Wie international finanzierte Projekte in Entwicklungsländern dann tatsächlich der Öffentlichkeit verkauft werden, darüber gibt ein interner Briefwechsel der Weltbank Aufschluss. Die Umweltorganisation „Urgewald“ hat anhand von Dokumenten belegt, wie der Finanzriese ein umstrittenes Ölprojekt in Tschad und im Kamerun durchdrücken und Kritiker besänftigen will.

Entsprechende Absprachen gibt es demnach zwischen dem Weltbank-Präsidenten Jim Wolfensohn und zwei seiner Stellvertreter: Der für Umwelt zuständige Vizepräsident Ian Johnson schreibt seinem für Afrika verantwortlichen Kollegen Jean-Louis Sarbib: „Erstens, wie Jim [Wolfensohn] vorschlug, würde euer Team sich bemühen, eine starke Argumentation gegenüber den Medien, Parlamentariern und nationalen Verwaltungen in den Geberländern aufzubauen.“ Geplant ist außerdem eine Strategiediskussion zwischen Wolfensohn und den involvierten Ölmultis. „Es wäre wichtig, sie dazu zu bringen, öffentliche Statements abzugeben, die unsere Reputation schützen“, schreibt Johnson an Sarbib.

Ein Konsortium aus Exxon, Shell und Elf will mit finanzieller Hilfe der Weltbank große Ölvorkommen im Tschad erschließen und über eine 1.000 km lange Pipeline an die Küste Kameruns transportieren. Kritiker befürchten durch das Projekt verheerende ökologische und soziale Auswirkungen. Die Bundesregierung, drittgrößter Geldgeber der Weltbank, hatte in einer Untersuchung die 1998 von Exxon vorgelegten Umweltstudien als unzureichend zurückgewiesen. Aber auf dem großen Jahrestreffen wird so was höchstens hinter den Kulissen noch einmal angesprochen.

rem/W. Paczian

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