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Provinz mit Potenzial

Für die Berliner Film- und Fernsehbranche war 2000 rein rechnerisch ein gutes Jahr. Seit dem Sommer gibt es sogar einen Medienbeauftragten für Berlin und Brandenburg. Dennoch bleibt die Hauptstadtregion weit hinter ihren Möglichkeiten zurück

von STEFFEN GRIMBERG

Vor wenigen Jahren, sprach der Medienmacher, war alles öd und leer. „Berlin war Steppe.“ Doch jetzt, jetzt herrsche ein ganz andere Situation am „Hauptkampfplatz Berlin“.

Zeitungskrieg? Wellenchaos? Medienoverkill? Nicht ganz. Es ging um Musik. Klassische Musik, „Alte Musik“, um ganz genau zu sein. Und die legt beim SFB seit Jahren nur einer auf: Bernhard Morbach. Mit „Morbach live“ ist er seit Anfang Januar dreimal in der Woche nachmittags bei Radio Kultur auf Sendung – dem Kulturradio, das eigentlich schon beinahe wieder SFB 3 geheißen hätte.

Doch jetzt ist der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) weiter mit dabei, und bei der Präsentation des Radio-Kultur-Programmschemas für 2001 wurde man am Donnerstag den Eindruck nicht los, einigen der anwesenden SFB-Redakteure sei gar nicht so wohl dabei.

Erst in letzter Minute kam es pünktlich zu Weihnachten doch noch zur Einigung der beiden ARD-Anstalten über die auf beiden Seiten ungeliebte Radiokooperation. Im Rest der Republik wurde das Gerangel um Inforadio Berlin-Brandenburg, Radio Kultur und die Auch-irgendwie-Kulturwelle Radio 3 derweil als das bewertet, was es war: eine Provinzposse.

Die Medienhauptstadt Berlin zerfällt zum Anfang des neuen Jahrtausends in zwei auf den ersten Blick merkwürdig unterschiedliche Hälften: Noch nie waren bei der Bundespressekonferenz so viele Journalisten akkreditiert (über 900!). Spätestens ab Sommer 2000 gab es landesweit keine Medientagung, auf der nicht mindestens eine Podiumsdiskussion die „Berliner Republik“ anhand der sinkenden Umgangsformen ihrer Journaille debattierte und der „Bonner Gemütlichkeit“ nachtrauerte.

Bei solchen Gelegenheiten dürfen dann Intendanten wie Ernst Elitz vom Deutschlandradio berichten, wie der Qualitätsjournalismus vor Hunde geht, weil die „jungen Kollegen“ ihn schon mal mit einem Politiker verwechseln, nur weil er eben auch mit Dienstwagen und Chauffeur bei der Pressekonferenz vorfährt.

Und noch nie wurde in Berlin so viel Fernsehen gemacht. Zwar ist die TV-Produktionsbranche mit ihren Umsatzzahlen alles andere als freigebig, nach Angaben der Medienberatungsfirma HMR International aus Köln liegt die Region Berlin-Brandenburg für das Rechnungsjahr 1999/2000 mit rund 890 Millionen Mark TV-Gesamtumsatz erstmals vor Hamburg (ca. 770 Millionen Mark). Dritter Platz hinter den Marktführern München und Köln: Doch die Stimmung im Berliner Film- und Fernsehmarkt ist merkwürdig gedämpft.

„Berlin ist noch immer keine wirkliche Filmstadt“, beklagte sich Regina Ziegler, Grimme-Preisträgerin und Berliner Produktionsurgestein erst Anfang Dezember wieder. „Geknausert“ werde bei der Berliner Filmförderung, und so verlegt Zieglerfilm viele Projekte lieber gleich nach Nordrhein-Westfalen. Denn dort teile die Filmstiftung NRW deutlich üppiger aus.

Von eben dieser Filmstiftung NRW erhofft sich Berlin dann auch einen wesentlichen Impuls für 2001: Im Sommer erklimmt der oberste Filmförderer von Rhein und Ruhr, Dieter Kosslick, nämlich den Chefsessel der Berliner Filmfestspiele. Der Charismatiker Kosslick, so die Hoffnung, soll der unter Moritz de Hadeln ziemlich angestaubten Berlinale endlich mehr internationales Flair und entsprechende Aufmerksamkeit bescheren. Die nötigen Kontakte bringt Kosslick jedenfalls mit. „Ich kenne eben jeden wichtigen Produzenten und Regisseur“, behauptet der Pforzheimer ganz ungeniert und macht keinen Hehl daraus, dass die Berlinale zumindest fürs Erste seinen Traumjob darstellt.

Die Wurstigkeit, mit der sein Vorgänger de Hadeln zum Abtreten genötigt wurde, sprach dagegen Bände über den Zustand der Berliner Medienpolitik – und auch über den Stil des mittlerweile schon wieder entschwundenen Bundesmedienministers Miachael Naumann: Die Demission ereilte de Hadeln per Fax, im Urlaub.

Noch länger als das allmähliche Verschwinden des langjährigen Berlinale-Chefs dauerte das Tauziehen um einen Medienbeauftragten. Denn wie bei der Radiokooperation sollten auch hier Hauptstadt und Region vereint marschieren. Noch im März scheiterte das am Veto Diepgens, zum 1. Juli wurde schließlich der Bertelsmann-Manager Bernd Schiphorst als Medienbeauftragter bestellt, im Spätsommer wurde Schiphorst auch gleich noch Präsident von Hertha BSC. Schiphorsts Vision: Ein „Medien-Tandem“, bestehend aus Berlin und Hamburg, wo Schiphorst zuvor als Geschäftsführer der Bertelsmann New Media über die neuen Medien gewacht hatte.

Das Tandem steht nun seit einem halben Jahr im Raum – weitestgehend unbenutzt: Greifbare Ergebnisse der Kooperation sind kaum in Sicht. Dafür dürfte ein großer Teil des Berliner TV-Zuwachses auch ohne Schiphorsts Zutun auf die Abwanderung von Hamburger Produktionsfirmen zurückzuführen sein.

Dennoch: In der TV-Branche glänzt vor allem Katzengold. Zwar ist der Nachrichtensender n-tv gut im Geschäft, und N 24, Leo Kirchs News-Konkurrenz, zieht sogar überwiegend nach Berlin. Doch die Kirch-Senderfamilie wird ab sofort aus München gesteuert. Auch Sat.1, der Hauptstadtsender.

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