: Sonnige Duelle
■ Werner Schneyder und Dieter Hildebrandt in Neil Simons „Sonny Boys“
„Seien Sie vorsichtig!“ warnt die freundliche Dame des Verlags, in dem das Stück erschien, am Telefon. „Die Inszenierung ist anders als das Stück. Ihre Zunft ist da immer so überkritisch. Nicht wundern.“ Was ist denn besser, das Stück oder die Inszenierung? „Die Inszenierung.“
Die Rede ist von Neil Simons Sonny Boys und den Kabarett-Altmeistern Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder, die sich jetzt einen Traum aus ihren vergangenen Kabarett-Tourneebus-Zeiten (das war 1974 bis 1982) erfüllen: sich einmal Clownsnasen aufsetzen, Kabarett- gegen Theaterbühne tauschen und sich so richtig anzoffen und gegenseitig die Augen auskratzen – denn das haben sie angeblich während ihrer achtjährigen Zusammenarbeit nie wirklich getan.
Vom Original ist Regisseur Jörg Hube abgewichen und hat die Handlung des Stückes seicht aktualisiert: Anstatt für eine Fernsehgala (gähn!) soll das alten Clownsduo Willi und Alfred sich für eine deutsche Filmkomödie (eigentlich auch gähn!) noch einmal aufraffen und heitere Krankenhaus-Clowns mimen. Doch das Zusammentreffen gerät zu einem katastrophalen, zu einem klaustrophobischen Wiedersehen, bei dem bald die Fetzen fliegen und alte Vorwürfe wieder laut werden.
Als „zwei alte Klamottisten, die Angst vorm Alter haben“ beschreibt Dieter Hildebrandt die Rollencharaktere. Was machen sie also mit der verbleibenden Lebenszeit? Andere zum Lachen bringen – oder: „Ei-Schaum mit Bitterzu-cker“, wie die FAZ es auszudrücken beliebte. Theater heute bekrittelte Schneyder und Hildebrandt als „schauspielerische Halbschwimmer“. Trotzdem meinen beide Organe, der Abend lohne sich. Doch hoffentlich kommen Schneyder und Hildebrandt darüber nicht bald selbst ins Altersgrübeln. Als letzte Dinosaurier einer vom Aussterben bedrohten Fernsehgattung, dem politischen Kabarett, müssen sie einen Sendeplatz verteidigen, der nach ihrem „Ausscheiden“ sicherlich nicht wiederbesetzt wird. (Mit wem auch? Stefan Raab? Nils Ruf? Oder Laurenz Meyer?)
Halt! Noch was: An der Kasse in den Kammerspielen hängt ein großes Schild: „Sonny Boys ausverkauft!“ Kein Scherz.
Christian T. Schön
tägl. bis Mittwoch, jeweils 20 Uhr, Hamburger Kammerspiele
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen