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Handys haben ausgeboomt

Ericsson verlagert seine Produktion nach Asien und setzt in Zukunft auf Billigprodukte. Auch Nokia muss kämpfen: Schwarze Zahlen beeindrucken die Börse nicht mehr. Die Zukunft sieht nicht rosig aus

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Gestern legte der finnische Handyproduzent Nokia neue Rekordzahlen vor: hohe Gewinne und hohe Verkaufszahlen. Nur, das nutzt dem Marktführer (31 Prozent) an der Börse wenig. Dort geht es um Zukunftserwartungen – und die scheinen für die Branche nicht mehr rosig zu sein. 405 Millionen Handys wurden im Jahr 2000 weltweit verkauft. 45 Prozent mehr als 1999. Für 2001 wird wieder ein Verkaufsanstieg erwartet. Aber allenfalls um 10 bis 15 Prozent. Die Wachstumskurve knickt ein. Der Handymarkt hat ausgeboomt.

Ein deutliches Signal dafür hatte Ende letzter Woche Ericsson gesetzt. Vor drei Jahren war der schwedische Mobiltelefonpionier noch weltweit größter Handyproduzent. Im letzten Jahr war Ericsson mit zehn Prozent Marktanteil nur noch dritter hinter Nokia und Motorola (13 Prozent Marktanteil).

Die kantigen Modelle kamen bei den jugendlichen Käufern nicht an. Bei jedem verkauften Handy legte das Unternehmen letztlich fast 100 Mark drauf. Jetzt soll die Handyproduktion an den in Singapur ansässigen Elektronikkomponentenhersteller Flextronic übertragen werden. Das ist billiger. Flextronic baut schon Handys für Nokia, Motorola und Siemens. Die Firma soll nun einen Teil der von Ericsson entlassenen Angestellten übernehmen. Wie viele dieser Arbeitsplätze dadurch gesichert werden können, ist unklar.

Ericsson erhofft sich von dem Schritt, dass seine Handy-Modelle schnell wieder Profit bringen. Flextronic hat als weltweit zweitgrößter Hersteller von Elektronikkomponenten die Marktmacht, die Preise der Zulieferfirmen und die eigenen Herstellungskosten zu drücken. Die Folge: Viele europäische Zulieferfirmen haben massive Entlassungen angekündigt.

Die bisherigen Giganten wie Ericsson konzentrieren sich auf die Entwicklung und den Bau von Mobilfunk-Systemen. Bei den Telefonen selbst geht die Entwicklung hin zu massenproduzierten Billigprodukten, die oft aus der gleichen Fabrik kommen, auch wenn sie noch unterschiedliche Markennamen tragen. Eine Tendenz, die sich nach Einschätzung von Branchenanalytikern mit der Einführung der schnellen UMTS-Handys noch verstärken wird. Für die technisch hoch entwickelten Modelle, auf die Ericsson bisher gesetzt hat, bleibt nur noch ein schmales Marktsegment übrig.

Die Konkurrenz wird sich den Schritt von Ericsson genau anschauen müssen. Denn Flextronics Handys werden auch in Zukunft nicht nur die Ericsson-Marke tragen, sondern auch von der technischen Kompetenz der Schweden profitieren und mit einem deutlichen Billigprofil in den Markt gedrückt und damit den bisherigen Konkurrenten unbequem werden. Nicht genug damit, auch Sony und Hitachi stehen in den Startlöchern, um sich ähnlich wie Pansonic nun ernsthaft des europäischen und amerikanischen Markts anzunehmen.

Für Ericsson ist die Zukunft dennoch unsicher. Zwar sind es die Mobilnetzsysteme, die bislang Gewinn brachten. Doch welcher Netzbetreiber wird in Zukunft Ericsson wählen, wenn dieser die dazu passenden Handys nicht garantieren kann?

Siemens hat es vorgemacht: Trotz des Reinfalls mit ihren benutzerunfreundlichen WAP-Handys hat sich das Unternehmen einen Ruf mit preiswerten und guten Mobiltelefonen erarbeitet. Der Marktanteil liegt knapp hinter Ericsson bei neun Prozent. Und das, obwohl Siemens bisher fast ausschließlich auf dem europäischen Markt vertreten war. Eine gute Ausgangsposition also, um jetzt auch in Nordamerika und Asien Fuß zu fassen.

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