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Vom Reichtum der Stimme

■ Musik der Renaissance mit der Bremer Sängerin und eine Uraufführung der Komponistin Gabriele Hasler im Dom

Die Bremer Sängerin Gabriele Hasler entwickelt nicht nur ihre Vokaltechniken ständig weiter, sondern auch ihren Stil: Gattungsgrenzen hat sie nie akzeptiert. Im aktuellen Konzert mit dem Harvestehuder Kammerchor präsentierte sich die Jazzsängerin als Komponistin, nicht zum ersten Mal übrigens. In dem ungewöhnlich gut besuchten Konzert im Dom brachte Hasler vielerlei Ideen unter einen Hut. Einmal erarbeitete sie zusammen mit dem Leiter des Chores, Claus Bantzer, eine Gesamtkonzeption für den Abend zwischen Vokalmusik der Renaissance und ihrer eigenen, und sie provozierte die ChoristInnen zu experimentellen Techniken, die für einen solchen Chor Neuland sind.

Das Ergebnis war ein durchgehend spannendes Experimentierfeld für die Möglichkeiten der menschlichen Stimme, wenn Hasler und Bantzer beispielsweise Vogelstimmen-Imitationen aus dem 16. Jahrhundert brachten („Le Chant des Oiseaux“ von Clement Janequin) oder mit den vierstimmigen Hohelied-Vertonungen von Leonhard Lechner an einen frühen bewussten Umgang mit der deutschen Sprache erinnerten. Nach einem wunderschön im Raum verteilten anonymen Stück aus dem 15. Jahrhundert, zeigte „Tillie“ (Gertrude Stein) für Chor, Solostimme und Altsaxophon Haslers Versuch, dem Chor minimalistische Wiederholungsstrukturen abzuverlangen und Dissonanzakkorde von heftiger Schlagkraft. Daraus erheben sich die umfang- und registerreiche Solostimme von Hasler und das ungemein expressive Altsaxophon von Roger Hanschel, Duo-Partner von Hasler seit vielen Jahren.

In „Study Nature“ überzeugte der gemeinsame Atem mit dem Instrumentalpartner. Etwas plakativ wirkte die Gegenüberstellung einer chorischen Innen- (leise) und einer solistischen Außenwelt (keifend) in „Study Nature II“. Die traditions-lose, abstrakte Leichtigkeit der Lyrik von Gertrude Stein hat es Hasler angetan und in „Edith“ für Chor, Sprechstimme und Altsaxophon geht es darum, dass alle Menschen konfus werden über die immensen Farben des Himmels, „but not Edith“. Hier mobilisierte Hasler geradezu grelle archaische Potentiale ihrer Stimme, beim Chor wirkte vieles (wie überhaupt) noch im Übestatus.

Ganz klar kam ich persönlich nicht mit der Art, literarische Texte wie das Hohelied einzubetten in ein Konzept vokaler Farben. Auch wäre eine gute verbale Einführung in die Konzeption hilfreich gewesen. Ute Schalz-Laurenze

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