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Ganzen Tag Schule ohne Lehrer

Masse in der Klasse: Bildungsbehörde will 88 neue Ganztagsschulen schaffen, vor allem an Gymnasien. Zur Finanzierung werden die Lehrerzahlen an den bestehenden Schulen aber um 20 Prozent gesenkt. Schulverbände lehnen Niveausenkung ab

von KAIJA KUTTER

Erst sieben Tage ist es her, da weilte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) in der Hansestadt und machte kräftig Druck. Elf der 16 Bundesländer hätten schon die Mittel für die Ganztagsschulen angefordert, Hamburg nicht. Bulmahn: „Die Hanseaten sollten ein bisschen Tempo zulegen und nicht zu den Vorletzten gehören.“ Gehört, befolgt: 88 Ganztagsschulen soll Hamburg im nächsten Schuljahr bekommen, verkündete Bildungssenator Rudolf lange (FDP) gestern und legte eine lange Liste vor (siehe unten).

Die an der Abitursverkürzung beteiligten 67 Gymnasien machen dabei den Löwenanteil aus, gefolgt von den 17 „Proregio“-Schulen, an denen es bereits eine Nachmittagsbetreuung der Jugendhilfe gibt. Bezuschusst wird dies aus Bulmahns Bundesmitteln. Insgesamt 66,78 Millionen Euro soll Hamburg bis 2007 in Raten aus Berlin erhalten.

Doch das Geld ist nur für Bauten wie Kantinen gedacht. Wer es beantragt, muss als Land selbst für das Personal sorgen. Und da hapert es. Nach Informationen der taz kommt die Finanzierung nur durch Kappung der Lehrerversorgung um 20 Prozent an den bestehenden 38 Ganztagsschulen zustande.

„Die Personalausstattung der neuen wird um einige Prozentpunkte niedriger“, räumt Behördensprecher Alexander Luckow ein. Ab dem nächsten Jahr habe Hamburg plötzlich zwei Standards. Wie man damit umgehe, wisse er noch nicht. „Es ist aber eine Diskrepanz, die man so nicht stehen lassen kann.“

Für den Hamburger Ganztagsschulverband ergibt eine schlechtere Ausstattung keinen Sinn. Bislang haben diese Schulen für den Nachmittag einen Personalmix, der aus etwa 40 Prozent Lehrerstunden und je knapp einem Drittel Erzieherstunden und Honorkräften besteht. „Wir brauchen die Lehrer am Nachmittag“, erklärt Ute Busch von der Ganztagsschule Klosterschule. An ihrer Schule gebe es zum Beispiel in Klasse 5 und 6 zwei verpflichtende Nachmittage mit Experimenten, Leseübungen und sozialen Klassenaktivitäten. „Honorarkräfte können das nicht übernehmen.“

„Es darf nicht sein, dass sich der Personalmix zu Gunsten von Honorarkräften ändert“, warnt auch Verbandsvorsitzender Bernd Martens. Sollte es bei den Lehrerstunden tatsächlich eine 20-prozentige Absenkung geben, sollten die Schulkonferenzen überlegen, ob die Schule den Status Ganztagsschule zurückgibt und zur alten Halbtagsschule zurückkehrt. Martens: „Hier werden die bestehenden Ganztagsschulen kaputtgemacht, um Masse zu erhalten.“ Auch den aufgelisteten Schulen empfehle er, „das nicht anzunehmen“.

Kritik gab es auch von SPD und GAL. Die Schwerpunktsetzung auf Gymnasien sei falsch, kritisierte SPD-Politikerin Britta Ernst. Sie bedauere, dass nicht mehr Grundschulen dabei seien. Und GALierin Christa Goetsch vermisst das pädagogische Konzept. Ein Mittagstisch an Gymnasien, um das Abitur nach zwölf Jahren zu ermöglichen, sei ja „gut und richtig“. Mit der Idee der Ganztagsschule habe das aber „nichts“ zu tun.

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