endlich erledigt: lungenkrebs und nichtrauchen von WIGLAF DROSTE
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Abends kam Ralf Sotscheck vorbei, der große alte Mann des Nichtrauchens, und verkündete frohe Botschaft. Irische Wissenschaftler, behauptete Ralle, hätten es endlich geschafft: Lungenkrebs sei medizinisch kein Problem mehr, das sei ein Klacks, Lungenkrebs sei praktisch erledigt. Die Volksgesundheit habe ihn besiegt, Jahrzehnte pädagogischen Gejengels seien nicht umsonst gewesen. Die Menschheit habe endlich gelernt, den Anweisungen des Personals Folge zu leisten: Hier wird nicht geraucht!

Faustgroß steht es auf jeder Fluppenschachtel: Rauchen erzeugt Krebs! Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit – und vor allem die aller anderen, Sie asozialer, rücksichtsloser Misthaufen! In Hotelzimmern findet man, im Aschenbecher, den indezenten Hinweis: Thank you for not smoking! Beim Anblick solch aufdringlicher Warnungen fällt mir ein Witz des französischen Zeichners Reiser ein. Eine Nichtraucherin keift: „Wer raucht, kriegt Lungenkrebs!“ Der angezeterte Raucher kontert: „Und wer nicht raucht, kriegt Arschkrebs!“

Das Schönste am Sieg über den Lungenkrebs ist das mit ihm einhergehende Verschwinden aggressiver Nichtraucher. Ich rauche nicht, ich mag keine verqualmten Bars, in denen einem die Augen tränen, und in vollgedömkerte Taxis setze ich mich nicht. Muss ich aber deshalb zu einem verbissenen Nichtraucher herabsinken, der jede Gelegenheit nutzt, seine Mitmenschen vollzuaposteln und sie zu bedrücken mit Vorschrift und Gejabbel? Unerträglicher als jede Qualmhölle sind die Protagonisten der Anti-Tabak-Liga, die ihre ästhetische Reizlosigkeit über Jahrhunderte konserviert haben. Was früher mit Teeren und Federn und dem Lynchtod am Galgen drohte, schwenkt heute eine Ausgabe der deutschprotestantischen Lehrerzeitschrift Schneckenpost und träumt davon, beim nächsten „Convivium“ genannten Gottesdienst mit allen Glücklicheren abzurechnen, die sich weniger zugenäht durchs Leben gehen lassen.

Es gibt keinen größeren Unterschied als den zwischen einem, der sagt: „Ich rauche nicht“ und einem, der sagt: „Ich bin Nichtraucher.“ Wer sich zur Nichtraucher-Existenz hin- und abgerichtet hat, erklärt damit seinen festen Willen, von nun an als Drangsal durch die Welt zu walzen, als Verbotsschild, als Sauertopf und Bessermensch, der gar nicht leben könnte ohne die, auf die er vom Gipfel seines grundgesunden und gerechten Daseins verächtlich herabsieht, die er ungerührt als „Volksschädlinge“ denunziert und die er in öffentliche Raucherdiskriminierungszonen abschiebt, wo er sie zur Schau stellt, als abschreckendes Beispiel, vor dem all die Guten ihren Abscheu bekunden können.

Dass ein in jahrzehntelanger harter Arbeit treu zusammengerauchter Lungenkrebs von fanatisierten Nichtraucherlobbyisten zum Aussterben verurteilt wurde, hat einen böse antidemokratischen Bei- und Abgeschmack. Wenn aber mit dem Lungenkrebs tatsächlich auch die Sorte Mensch von uns gönge, für die das Leben ein niemals endendes Beschwerdeformular und die Welt ein Umerziehungslager ist, dann wäre das Opfer nicht umsonst.