: „Natürliche Verfolgungsmethoden“
■ Die Frau eines flüchtigen PKK–Mitglieds wurde in Türkisch–Kurdistan auf Geschlechtsverkehr untersucht
Aus Istanbul Ömer Seven
Die Ehefrau des seit zwei Jahren flüchtigen PKK–Mitglieds Mehmet Yüce, Necla Yüce, ist unter der „Anschuldigung“, sie treffe sich heimlich mit ihrem Mann, aus dem Haus ihres Schwiegervaters abgeführt und dem staatlichen Krankenhaus von Tunceli in der Türkei übergeben worden. Das berichtete die türkische Tageszeitung Cumhuriyet. Nachdem das ärztliche Gutachten festgestellt hatte, Frau Yüce habe „seit geraumer Zeit keinen Sexualkontakt gehabt“, wurde sie wieder freigelassen. „Wie hätten wir denn anders feststellen können, ob sie ihrem Mann Unterschlupf gewährt“, rechtfertigte sich der Gouverneur Güven von Tunceli. Seiner Meinung nach sind das „natürliche Verfolgungsmethoden, die nicht außergewöhnlich sind“ - eine „Selbstverständlichkeit“ eben. Er erinnerte daran, daß bereits nach dem Anschlag der Guerillagruppe „Partizan“ am 1. August im Kreis Tunceli, bei dem neun Rebellen umgekommen waren, solche „natürlichen Verfolgungsmethoden“ angewandt worden seien: „Zwei Mädchen aus einem Haus, über welches wir den Hinweis erhalten hatten, daß sie den Attentätern Unterschlupf gewähren, wurden auch kontrolliert. Ein Mädchen stellte sich als verdorben heraus.“ Der Gouverneur von Tunceli ist ein besonders herausragendes Beispiel für die türkische Arroganz gegenüber den kurdischen Bewohnern des Südostens der Türkei. Nach seiner Amtsübernahme nach dem Militärputsch 1980 hatte er den Einwohnern von Tunceli gleich gezeigt, woher nun der Wind wehte. Er organisierte sonntägliche Volksläufe, um den Tunceliern die Beschäftigung mit der Politik auszutreiben und zwang die alevitischen Moslems, für ihre Begräbnisriten einen sunnitischen Imam zu engagieren. Um die traditionell aufmüpfigen Bewohner von Tunceli unter die Fuchtel zu kriegen, verfügte der Gouverneur eine indirekte nächtliche Ausgangssperre, die dazu führt, daß jeder, der abends nach elf noch draußen „herumstreicht“, festgenommen und erst einmal auf der Gendarmerie traktiert wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen