Atomfabriken „leiden still“

■ RBU erhebt Vorwurf der „Schlamperei“ und „Inkompetenz“ gegen das hessische Wirtschaftsministerium RBU sieht sich als Experimentierobjekt hessischer Energiepolitik / „Minimale“ Leckstellen zugegeben

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Hanau (taz) - Die Geschäftsführung der Hanauer Brennelementeschmiede RBU, auf deren Ablösung der hessische Wirtschaftsminister drängt, ging am Montag in Hanau in die Offensive. Flankiert von den CDU–Bundestagsabgeordneten Christian Lentzer und Richard Bayha machte der kaufmännische Geschäftsführer der RBU, Alexander Warrikoff (gleichfalls Bundestagsabgeordneter der CDU) dem hessischen Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) schwere Vorwürfe. Die Stillegungsandrohung des Ministers habe dem Unternehmen, dessen Brennelemente zu 50 Export gehen, „schweren Schaden“ zugefügt. Warrikoff: „Unsere Glaubwürdigkeit wurde erschüttert.“ Bisher, so Warrikoff weiter, habe das Unternehmen „still gelitten“. Mit dem Brief Stegers, in dem der Minister der Geschäftsführung „22 Bolzen“ vorhielt, die Warrikoff und Kollegen „geschossen“ haben sollen, sei allerdings „das Maß des Hinnehmbaren überschritten worden“, meinte der in der Schußlinie stehende technische Geschäftsführer der RBU, Erich Zastrow. Zastrow gab in einer persönlichen Erklärung den „Schwarzen Peter Schlamperei“ an das Wirtschaftsministerium zurück. Steger selbst habe „unfähige Mitarbeiter“, die von der ordnungsgemäßen Abwicklung eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens nicht die geringste Ahnung hätten. Insbesondere der Leiter der Atomabteilung im Wirtschaftsministerium, Thurmann, sei „völlig unfähig“, ein solches Verfahren zu managen. Der Ministerialdirigent habe beispielsweise die Installation von Anlagen „sabotiert“, die die Sicherheit der Mitarbeiter verbessert hätten. Seit der „Energiewende“ der SPD hätten alle Aktionen des Ministeriums nur ein Ziel: Die Schließung der RBU um jeden Preis. In die gleiche Kerbe hieb auch der CDU–Mann Lenzer. Hessen sei das „Experimentierfeld“ für die energiepolitische Neuorientierung der Sozialdemokraten. Der neue Stil in Wiesbaden gipfele in der „Denunzierung und Diffamierung“ der Mitarbeiter der RBU. Daß mit der RBU das „Herz der deutschen Atomindustrie getroffen werden soll“, befürchtet auch Alexander Warrikoff: „Wenn man aus der Kernenergie aussteigen will, dann ist die Schließung der RBU das geeignete Mittel dazu.“ Die Hanauer Atomschmiede beliefert 80 Brennelementen. Inzwischen hat sich auch der Betriebsrat der Hanauer Nuklearfirmen von den Äußerungen des RBU–Betriebsratsvorsitzenden Kraushaar, der dem Management gleichfalls „Mißwirtschaft“ vorgeworfen hatte, distanziert. Albert Gerlach, RBU–Betriebsrat und Mitglied des Aufsichtsrates, verkündete mit versteinerter Miene, daß der gesamte Betriebsrat mit Ausnahme von Kraushaar geschlossen hinter der Geschäftsleitung stehen würde. Als es zum Abschluß der Pressekonferenz um den jüngsten „RBU–Skandal“ - gemeint war das „kleine Leck im Kühlwasserkreislauf“ - ging, erntete Noch–Geschäftsführer Zastrow die bösen Blicke seiner „Kollegen“. Auf Nachfrage hin, wie denn nun die Radioaktivität in den Kühlwasserkreislauf gelangen konnte, meinte Zastrow nämlich, daß es „minimale Leckstellen“ geben müsse, die allerdings noch nicht gefunden seien. Der neue RBU–Geschäftsführer Roepenack, der noch auf die ministerielle Bestätigung wartet, erklärte schnell, daß es sich hierbei allenfalls um „Rißchen“ handeln könne, die „nicht weiter von Bedeutung“ seien. Daß an dieser Stelle - wie bestellt - die Werkssirenen heulten, lag tatsächlich nicht an den „Rißchen“. Bei der Nachbarfirma Degussa hatte es „nur gebrannt“.