piwik no script img

Kirchlicher Lobgesang für Pinochet

■ Die Repression macht auch vor der Kirche nicht halt / Ein Anwalt des erzbischöflichen Solidaritätsvikariats entging nur knapp seiner Verschleppung durch Todesschwadronen / Studentenführer wurde verhaftet

Santiago/Berlin (afp/taz) - Zahlreiche katholische Basisgemeinden und Priester aus den Armenvierteln der chilenischen Hauptstadt haben den Erzbischof von Santiago, Juan Francisco Fresno, aufgefordert, das traditionelle Tedeum in der Kathedrale zum heutigen Nationalfeiertag abzusagen. Damit soll gegen die Ausweisung von drei französischen Priestern, die im Armenviertel La Victoria tätig waren, protestiert werden. Ein Verzicht auf das Tedeum käme einer Brüskierung der Diktatur gleich, weil sich zu dieser Zeremonie alljährlich Pinochet selber sowie die gesamte Militärjunta in der Kathedrale von Santiago einfinden. Fresno, der eher dem konservativen Flügel der chilenischen Kirche angehört, hatte am Montag seine Entscheidung bestätigt, das Tedeum werde stattfinden und man werde für „Chile und seine Regierenden“ bitten. Die Bischöfe der nordchilenischen Stadt Iquique allerdings haben das Tedeum im Beisein der Stadtbehörde bereits abgesagt und wollen in der Kathedrale ihrer Stadt in einem Gottesdienst, zu dem alle Gläubigen eingeladen sind, fürs Vaterland beten. Auch der Erzbischof der südchilenischen Stadt Concepcion verzichtet auf das Tedeum in seiner Kathedrale. Er begründete dies mit den vielen Anschlägen, die Anhänger des Militärregimes ungestraft auf Angehörige und Eigentum der Kirche verübten. In der Tat gerät nun auch zunehmend die Kirche ins Visier der Repression, vor allem auch das Soli daritätsvikariat des Erzbischoftums von Santiago, wo die von der Repression Betroffenen in der Regel zuerst um Hilfe ersuchen. So fließen die Informationen über Festnahmen, Verschleppungen, Folter und Drohungen vor allem im Vikariat zusammen, das in einer eigenen Zeitschrift über die Menschenrechtsverletzungen regelmäßig berichtet. Am vergangenen Freitag entging, wie erst jetzt bekannt wurde, ein bekannter Anwalt des Vikariats, Luis Toro,nur knapp seiner Verschleppung durch ein illegales Kommando. Als er nachts um zwei Uhr vier bewaffnete Vermummte über seinen Gartenzaun steigen sah, versteckte er sich mit Telefon in einem Schrank und rief von dort aus die Nachbarn um Hilfe. Als diese dann alle Lichter anzündeten und um Hilfe schrien, zog sich das Kommando zurück. Luis Toro ist Anwalt der Familie von Rodrigo Rojas. Einer der Führer des Studentenverbandes der katholischen Universität in Santiago (FEUC), Enrique Paris, ist am Dienstag festgenommen worden. Das gab die Polizei bekannt. Kommilitonen des Studentenführers hatten zuvor mitgeteilt, Paris sei von einer schwerbewaffneten Gruppe Unbekannter abgeführt und vermutlich verschleppt worden. Seit der Ausrufung des Belagerungszustandes vor zehn Tagen sind bereits sechs Personen von Todesschwadronen, die offensichtlich den Schutz der Behörden genießen, verschleppt und ermordet worden. thos

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen