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Frühstück gibts beim DGB

■ Arbeitslosen–Protestmarsch von Duderstadt nach Hannover / Überall Aktionen und Veranstaltungen

Einbeck (taz) „Wir sind im Gespräch,“ sagt ein 45jähriger, „und das ist gut so.“ Der Mann, seit 14 Jahren ohne Arbeit, ist Teilnehmer des Erwerbslosen–Protestmarsches von Duderstadt nach Hannover. Knapp 50 Personen waren am Sonntag in der südniedersächsischen Grenzstadt gestartet. Der große Regen und die Kälte der vergangenen Tage haben die Gruppe inzwischen auf die Hälfte dezimiert. Nachmittags, in Sichtweite der Etappenziele Göttingen, Northeim und Einbeck, steigt die Teilnehmerzahl wieder an, „weil uns die örtlichen Arbeitslosen–Inis in Empfang nehmen wollen.“ Mit der Aktion, die auf eine Idee der Arbeitslosen–Selbsthilfegruppe in Duderstadt zurückgeht, sollen die Forderungen nach finanzieller Absicherung für alle Erwerbslosen, nach sinnvollen Dauerarbeitsplätzen, nach Arbeitszeitverkürzung, Mindest lohn und Überstundenverbot nach außen getragen werden. Aber auch an die vielen Arbeitslosen richtet sich die Demonstration, die ihre soziale Lage aus dem Gefühl heraus vor der Öffentlichkeit verbergen, selbst Schuld an ihrer Misere zu sein: „Wir wollen aufbrechen, daß man sich als Arbeitsloser nicht gern zu erkennen gibt.“ Praktische Unterstützung erfahren die Frauen und Männer - Marsch–Motto: „Wandern ja, auswandern nein“ - nicht nur von den Arbeitslosen–Gruppen am Wegesrand. In Göttingen und Northeim etwa lud der DGB zu einem üppigen Frühstück. Die Naturfreunde boten ihr Haus zum übernachten an. Das Deutsche Rote Kreuz und der Caritas–Verband haben Feldbetten, Decken und Lebensmittel zur Verfügung gestellt. Sogar ein Bürgermeister hat die Protestmarschierer empfangen. Die Reaktionen von Passanten an der Strecke fallen unterschiedlich aus. „Manchmal gibt es aufmunternde Worte oder auch Bargeld. Manchmal heißt es, „Ihr wollt doch gar nicht arbeiten.“ Vormittags, vor dem Abmarsch, werden auf den Marktplätzen oder vor den Arbeitsämtern Kundgebungen, manchmal auch kleine Demos, durchgeführt. Abends gibt es Diskussions– oder Kulturveranstaltungen, zu denen auch die Bevölkerung eingeladen wird. In Laatzen zum Beispiel, dem vorletzten Etappenziel, ist für den 21. September ein großer Arbeitslosenmarkt in Vorbereitung, mit Musik, Theater, einem Sozialhilfe–Spiel und einer „Arbeitsplatz–Lotterie.“ Enden soll der Marsch am kommenden Montag in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Eine Delegation der Demonstranten will im Landtag eine Petition mit den Forderungen der Erwerbslosen überreichen und anschließend Kundgebung und Aktionen in der Innenstadt inszenieren. Reimar Paul

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