: Neue Heimat–Aktien für das Volk?
■ Brotfabrikant Schiesser will über die Vermögensbildung und „Volksaktien“ das Kapital der Neuen Heimat breit streuen / Graf Lambsdorff: DGB hätte besser einen Schlachter als einen Bäcker gesucht
Hamburg (dpa) - Der Käufer des gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat (NH), der Berliner Brotfabrikant Horst Schiesser, will den erworbenen Besitz von rund 190.000 Wohnungen weiterveräußern. Entsprechende Äußerungen Schiessers, verknüpft mit Zusicherungen des Fortbestehens der Sozialbindung der Wohnungen, stießen jedoch bei Politikern auf Zweifel. Offen bleibt nach wie vor auch die Frage, ob es Schiesser als mittelständischem Unternehmer mit knapp 300 Millionen Mark Jahresumsatz bei seinen Brotfabriken gelingen kann, den mit rund zehn Milliarden Schulden belasteten Wohnungsbestand zu sanieren und einen Konkurs abzuwenden. Bundesbauminister Oscar Schneider (CSU) kann sich nicht vorstellen, daß die Konkursgefahr beseitigt ist. Auch der Obmann der FDP– Fraktion im Bonner NH–Untersuchungsausschuß, Josef Grünbeck, sagte, die finanzielle Sicherstellung der „Transaktion bei Nacht und Nebel“ sei bisher nicht glaubhaft gemacht worden. Die gewerkschaftseigene Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft (BGAG), habe bisher keine Erklärung darüber abgegeben, wie die langfristigen Verbindlichkeiten von 17 Milliarden Mark sowie die kurzfristigen von 1,7 Milliarden Mark bezahlt werden sollen. Nach Worten von Otto Graf Lambsdorff (FDP) lassen „die Gewerkschaftsbosse die Neue Heimat wie eine heiße Kartoffel fallen“. Es wäre besser gewesen, der DGB „hätte nicht einen Bäcker, sondern gleich einen Schlachter gefunden“. Die Neue Heimat mit ihren regionalen Tochtergesellschaften wird künftig in Berlin als GmbH geführt, eine Unternehmensstruktur, die jederzeit den Verkauf von Anteilen gestattet. Wie Schiesser am Samstag sagte, besteht das Konzept seines Wohnungsunternehmens, der Neuen Gesellschaft mbH Vermögensbildung (DNG), darin, „Großunternehmen zu erwerben und sie weiterzuverteilen an Kleinanleger“. Er sprach von einer Art „Volkskonzern“, bei dem die Bürger nach dem Genossenschaftsprinzip kleine Anteile unter Inanspruchnahme staatlicher Förderung nach dem 936–Mark–Gesetz erwerben können. Im Hinblick auf die für die Mieter der Neuen Heimat wichtige Frage von Mieterhöhungen verwies Schiesser immer wieder auf die Sozialbindung der Wohnungen, die er nicht unterlaufen wolle, andererseits aber auch auf Auslauffristen und in diesem Zusammenhang auf die unterschiedliche Wirtschaftlichkeit der einzelnen Objekte. Zu der Zahl der NH–Mitarbeiter sagte Schiesser gegenüber dpa: „Wir sind hier nicht angetreten, gewisse Arbeitsplätze zu erhalten, sondern den Mietern endlich Ruhe und Ordnung zu bieten. Es wird natürlich nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gearbeitet.“
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