: Nur Gutes durchs Atom
Die Tore aller bundesdeutschen Atom–Meiler stünden den Inspektionstrupps der Internationalen Atomenergie–Behörde (IAEA) jederzeit offen. Mit dieser Offenheit versuchte Bonns Umweltminister Wallmann gleich nach seinem Amtsantritt das öffentliche Vertrauen in die Atomenergie zu dekontaminieren: Doch zum Zittern haben die Betreiber westdeutscher Atomfabriken so wenig Anlaß wie die besorgten Bürger zum Aufatmen, wenn aus Wien demnächst die Unbedenklichkeitserklärung für Biblis eintrifft. Regelrecht gedrängt hat Bonn die Wiener Kontrollettis zu dem im Herbst anstehenden Besuch dieses AKWs. Schlechter Witz Einen schlechten Witz findet Florian Faber vom Wiener Greenpeace–Büro, daß „ausgerechnet eine Lobby– und Promotion–Organisation für die Atomenergie wie die IAEA“ gleichzeitig als Kontrollorgan, quasi in eigener Sache, fungieren soll. Tatsächlich hat sich gerade der schwedische IAEA– Generaldirektor Hans Blix direkt nach dem Tschernobyl–Desaster in der Dümmlichkeit seiner verharmlosenden Statements von kaum einem Sprecher der weltweiten Atomiker–Gilde übertreffen lassen. Nach Bhopal habe schließlich auch niemand die Stillegung der Chemieindustrie verlangt und auch Kohlebergwerke oder der Luftverkehr forderten schließlich ihre Todesopfer, erklärte Blix auf der „European Nuclear Conference“ im Juni in Genf. Der „point of no return,“ so die gebetsmühlenartige Erkenntnis des IAEA–Chefs, sei in der Entwicklung der Atomenergie längst überschritten. Bereits heute, so rechnete er gestern in der Wiener Hofburg den Teilnehmern der IAEA–Sonderkonferenz wieder einmal vor, stammten 15 weltweit produzierten Elektrizität aus Atomfabriken; bis 1990 stiege dieser Anteil auf 20 Gegründet wurde die „International Atomic Energy Agency“ (IAEA) gemäß einem Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Sommer 1957, also zu einem Zeitpunkt allgemeiner weltweiter Atomeuphorie, mit dem erklärten Ziel, „in der ganzen Welt den Beitrag der Atomenergie zum Frieden, zur Gesundheit und zum Wohlstand zu beschleunigen und zu steigern.“ Vor allem auf Druck der Länder der Dritten Welt, die den Aufbruch in die strahlende Zukunft nicht verpassen wollten, gelangten Passagen in die IAEA–Satzung, welche der IAEA den Informations– und Technologie–Austausch zur Aufgabe machen. Ziel der IAEA ist in erster Linie also die Förderung und Verbreitung, nicht die kritische Kontrolle der Atomenergie. Eine Hauptaufgabe der bis Tschernobyl von der Öffentlichkeit wenig zur Kenntnis genommenen UNO–Behörde, deren Hauptsitz in der ghettoartigen UNO–City auf der Wiener Donau– Insel liegt, ist die Überwachung des Atomwaffensperrvertrages. Er trat im März 1970 in Kraft und wird seither alle fünf Jahre - zuletzt geschah dies im vergangenen September in Genf - überprüft und verlängert. In ihm verpflichten sich die kernwaffenlosen Vertragsparteien, mit der IAEA Kontrollabkommen über das von ihnen im Rahmen der sogenannten „friedlichen Kerntechnischen Arbeiten verwendete Kernmaterial“ abzuschließen. Die IAEA hat laut Statut ihrerseits dafür zu sorgen, „daß die von ihr oder auf ihr Ersuchen oder unter ihrer Überwachung oder Kontrolle geleistete Hilfe nicht zur Förderung militärischer Zwecke benutzt wird.“ Seit Anfang der 80–er Jahre beäugt die IAEA in bescheidenem Maße den Sicherheitsstandard ziviler Atomanlagen im Rahmen des OSART–Programms. Das Kürzel OSART steht für die „Operational Safety Review Teams“, aus 8 - 10 Spezialisten bestehende Inspiziententrupps, denen nicht selten Vertreter der Atomindustrie angehören. Ein OSART–Trip dauert in der Regel drei Wochen, kaum Zeit genug, um tatsächlich eventuelle Sicherheitsrisiken wie etwa Haarrisse oder Mängel in der Notfallplanung AKW zu eruieren. Die meisten Kontrollbesuche führten die OSARTs bisher in Meiler der Dritten Welt, wo sie denn auch - wie ein IAEA–Beamter der taz erläuterte - keinesfalls als scharfe Kontrollettis gefürchtet, vielmehr als Berater und Fortbildner gerne gesehen seien. Erst in den letzten Jahren suchten OSART–Combos auch europäische AKWs, so in Holland, Schweden, in der CSSR und Finnland heim. Streng vertraulich Durchschlagender Erfolg blieb bisher auch einem anderen IAEA– Programm vorenthalten: Rund 200 Konferenzen zur Ausarbeitung sogenannter „Nuclear Safety Standards“ - NUSS verschlangen zwar bisher rund 20 Millionen Dollar, brachten aber nur unverbindliche Empfehlungen zustande. Die sind zudem so vage gehalten, daß zahlreiche Regierungen nach Tschernobyl vergeblich darin nach Anhaltspunkten für die Festlegung von Grenzwerten blätterten. Auch eine Vorstufe der jetzt ausgearbeiteten Konvention über Informationsaustausch existiert bereits: Das IRS–Programm. IRS steht für „Incident Reporting System“ (Vorkommnis–Melde–System). In jährlichen IRS–Ausschußsitzungen werden Berichte über etwaige „Sicherheits–Vorkommnisse“, was immer das seien, vorgelegt - die Reporte bleiben selbstredend streng vertraulich. Während bei der IAEA diverse Organisationen der Atomlobby, so das Atomic Industrial Forum der USA, das Europäische Atomforum, die European Nuclear Society, die Canadian Nuclear Association, als sogenannte „Non–Governmental Organizations“ zugelassen sind, wies der IAEA–Gouverneursrat anfangs dieser Woche einen Zulassungantrag von Greenpeace ab.
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