: LORA: Ohne Kommerz auf Megahertz?
■ Der Verein zur Förderung eines unabhängigen lokalen Radios will privaten Anbietern Konkurrenz machen Statt Hitparadeneinheitsbrei und Werbespots „Radio von unten“ / Hörerbeteiligung auf allen Ebenen
Von Harald Braun
München (taz) - Anfangs war das ja noch lustig: Auf drei terrestrischen, erstmalig für private Anbieter geräumten Hörfunkfrequenzen, stammelten sich unbedarfte Jung–Moderatoren durch die neuentwickelten Sendeschemata. Unermüdlich plärrten sie gegen unkontrollierbare Jingles und wildwuchernde Werbespots an, radebrechten bayrisch eingefärbt die Titel der „JU ÄSS TOPP TÄNN“ und ernannten diese einfallslose Mischung schließlich auch noch zur „längst überfälligen Revolution auf dem Radiosektor“. Inzwischen hat sich der ohnehin zweifelhafte Charme des Unkonventionellen, Dilletantischen abgenutzt. Schließlich hatte man auch ganz Anderes versprochen: offene Kanäle nämlich, von Bürgern für Bürger, brisant und originell. Stattdessen beharken sich inzwischen auf drei Frequenzen annähernd 20 Programmanbieter mit nahezu identischen Waffen. Immerhin geht es um die größten Portionen am profitablen Werbekuchen. Darin erschöpft sich denn auch das Streben der „jungen“ Radios. Von einem inhaltlichen Auftrag oder gar von Alternativen zum betulich–rechten Bayrischen Rundfunk kann keine Rede sein. Und weil das alles nicht so bleiben soll, gibt es jetzt LORA in München. Der Verein zur Förderung eines unabhängigen lokalen Radios findet sich mit der seichten Dauerberieselung auf den privaten Kanälen nicht ab. „Kein Kommerz auf Megahertz“ lautet prägnant das Programm der jungen Initiative. „Wir kommen alle aus den verschiedensten Initiativen der Friedensbewegung. Gemeinsam teilen wir die Enttäuschung über die bislang vergebene Chance, auf den zur Verfügung stehenden Frequenzen ein bürgernahes Radio zu machen“, erläutert Eckhart Thiel die Entstehungsgeschichte der Initiative. Der Elektroniker fungiert zusammen mit den beiden Soziologen Harald Bischoff und Winfried Richter als Kontaktmann für interessierte Mitkämpfer. „Wir stellen uns vor, zu unterhalten, ohne abzustumpfen. Bei uns wird unzensiert informiert, Stichwort Tschernobyl usw.“ In wöchentlichen Treffs wird gerade an einem Konzept gearbeitet, um diesem Anspruch gerecht zu werden. So viel steht fest: LORA wird selbstverwaltet und demokratisch organisiert sein. „Radio von oben“ will LORA nicht machen. Sechs halbtags angestellte Redakteure sollen, so die Vorstellung der LORA–Planer, mehr mit Programmkoordinierung als mit -produktion beschäftigt sein. Diese Rechnung geht allerdings nur auf, wenn zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen die Einladung annehmen, selbst „Radio zu machen“. „Wir gehen davon aus, daß da ein Bedarf existiert. „Warum soll nicht funktionieren, was anderswo klappt“ meint Winfried Richter zuversichtlich. Anderswo, das ist z. B. in Freiburg, wo sich „Radio Dreyecksland“ schon seit Jahren mit beispiellosem Engagement und illegalem Status die Utopie vom Basis–Radio verwirklicht. Anderswo, damit ist aber vor allem das seit 1982 existierende „LORA Zürich“ gemeint, das Vorbild der Münchner, bei dem man nicht nur den Namen entlehnte. Auch für das Finanzierungsmodell stand das Züricher Lokalradio Pate: Nicht ein einziger Werbespot soll das kritisch– unterhaltende Programm von „LORA“ überschatten: die prognostizierten Kosten von 280.000 DM, die bei einer täglichen Sendezeit von vier Stunden im Jahr anfallen, sollen zu 80 Hörer zahlt im Jahr 60 DM und wird so Mitglied des Vereins. Dafür erhält er ein Mitspracherecht bei der Programmgestaltung“, erläutert Thiel. 4.000 zahlende Hörer brauchts da schon, um kostendeckend zu senden. Miteingerechnet wurden bei dieser Kalkulation bereits zusätzliche Einnahmen aus kulturellen Veranstaltungen und Spenden. Die Finanzierung des Sendebetriebs ist jedoch zur Zeit ein zweitrangiges Problem. Vor der ersten Ansage hat die Landeszentrale für Neue Medien die Frequenzvergabe gesetzt. Die Rangelei der ursprünglich 23 privaten Programmanbieter im letzten Jahr, die schließlich gerichtsmassig ausgetragen wurden, deutet auf die Schwierigkeiten hin, die LORA München hier erwartet. Nachdem man sich beim SPD– Mann Warnecke - Ausschußmitglied für die Frequenzvergabe - informiert hat, werkelt LORA gerade an einem Frequenzantrag. Viel Hoffnung, auf diesem Weg ans Ziel zu gelangen, hat Eckhart Thiel nicht. „Obwohl wir mit unseren Programmvorstellungen sehr viel mehr dem Wortlaut des Bayrischen Mediengesetzes entsprechen, werden wir gegen die Lobby der ausschließlich profitorientierten Anbieter wenig ausrichten können“. Warum dann der ganze Aufwand? „Wir werden prozessieren müssen, denn dann“ meint Thiel, „wird uns wohl niemand verhindern können.“
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