: D O K U M E N T A T I O N Falsche Fährte gelegt?
■ In einer Presseerklärung begründen die Anwälte aus dem Schmücker–Prozeß, warum sie Zweifel an dem jüngsten „Spiegel“–Bericht über die Verwicklung des Verfassungsschutzes in den Mordfall Schmücker haben (die taz berichtete).
(...) Wir können gegenwärtig weder die Echtheit der SPIEGEL–Informationen noch deren Quelle zuverlässig überprüfen. Wir gehen davon aus, daß der SPIEGEL zumindest glaubt, seine Behauptungen auch belegen zu können. Wir fordern ihn auf, seine Belege zu veröffentlichen. Würde zutreffen, was der SPIEGEL behauptet, (...) dann müßte auch der Berliner Verfassungsschutz leicht in der Lage sein, die Richtigkeit dieser Behauptungen zu beweisen (...). Wir sind dabei durchaus davon überzeugt, daß der Verfassungsschutz in dieser Sache seit über 12 Jahren wichtige Informationen verschweigt, und wir haben deshalb von Anfang an versucht, die Akte dieser Behörde - wie auch diejenigen zahlreicher anderer in die Sache verwickelter Ämter - einsehen zu dürfen. Vor kurzer Zeit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß die Begründungen, mit denen uns diese Akten bisher vorenthalten worden sind, rechtswidrig waren. Gerade jetzt aber werden plötzlich Behauptungen über den Inhalt dieser Akten veröffentlicht, deren Kern allerdings wieder einmal ist, was der Verfassungsschutz schon immer behauptet hat: Unsere Mandanten seien die Täter, oder - wie es ein Berliner Innensenator gegenüber dem Gericht erklärt hat: die Verweigerung der Akten benachteilige keine Unschuldigen. Dies legt aus einer ganzen Reihe von Gründen die Annahme nahe, daß die Veröffentlichung des schon nicht unbeträchtlichen Skandals, in dem im SPIEGEL jetzt die These von der Schuld unserer Mandanten verpackt ist, lediglich der Vermeidung des Offenbarwerdens viel größerer Skandale dienen soll - und der Beeinflussung der Richter am Bundesgerichtshof, die im nächsten Jahr über die Revision zu entscheiden haben werden. (...) Wir können von hier aus (...) nicht alle Gründe benennen, die gegen die Wahrheit der im SPIEGEL verbreiteten Version sprechen. Wir beschränken uns daher hier vorerst auf die zwei auf der Hand liegenden Fragenkomplexe: - Warum stellt der SPIEGEL nicht die Frage (und beantwortet sie natürlich auch nicht), weshalb der Verfassungsschutz angeblich die Observation Schmückers gerade am Morgen seines Todestages abgebrochen hat. Warum geht der SPIEGEL–Artikel nicht ein auf die seit 1979 vorliegenden Informationen, wonach Ulrich Schmückers Tod zwar nicht vom Berliner Landesamt, wohl aber vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt observiert worden sein soll (eine Information, deren Richtigkeit sich aus den Akten anderer Behörden ergeben soll, die uns bislang ebenfalls verweigert werden)? - Warum erwähnt der SPIEGEL–Artikel mit keinem Wort die zahlreichen Indizien und Beweise, die er schon selbst mehrfach veröffentlicht hat, und die sogar der Prozeß selbst bereits dafür erbracht hat, daß der angebliche Mittäter Jürgen Bodeux bereits vor der Tat Kontaktmann des Verfassungsschutzes war? Warum stellt der SPIEGEL nicht die Frage, ob es denn dann denkbar ist, daß ein Verfassungsschutzmitarbeiter - eben Bodeux - selbst maßgeblich an der Tat beteiligt gewesen wäre - wie es Bodeux ja, dem Artikel zufolge gewesen sein soll? Dies nämlich wäre der größere Skandal, zu dessen Verschleierung es sich für den Verfassungsschutz lohnen könnte, eine kleine Skandalgeschichte zu lancieren. Diese ist ihm zwar unangenehm, aber insofern dienlich, als sie nun vollkommen das Interesse daran in den Hintergrund treten läßt, was wirklich geschehen ist: Es war einzig und allein der Verfassungsschutzmitarbeiter Bodeux, der bislang behauptet hat, er selbst und unsere Mandanten seien die Täter gewesen. Bodeux ist als Mittäter verurteilt - soll also der Verfassungsschutz mitgeschossen haben? Wenn nicht, dann waren auch unsere Mandanten nicht die Täter. Entgegen dem Eindruck, den der SPIEGEL heute erweckt, würde selbst eine Bestätigung seiner Behauptungen durch Vorlage der Waffe und Aussage des Volker von Weingraber eine Aufklärung dieser Beziehungen zwischen Bodeux und den Sicherheitsbehörden nicht etwa erübrigen, sondern erst recht notwendig machen, bevor unsere Mandanten öffentlich als schuldig hingestellt werden dürfen. Von dieser Notwendigkeit werden auch Geschichten wie die jetzt dem SPIEGEL womöglich untergeschobene nicht ablenken können. Im Legen von falschen Spuren ist der Verfassungsschutz Meister. Das immerhin berichtet der SPIEGEL dankenswerterweise.
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