: Wallmanns Atom–Notstandsgesetz
■ Erste Lesung des „Strahlenschutzvorsorgegesetzes“ im Bundestag / Grünen–Abgeordneter Hönes spricht von Informations– und Bewertungsmonopol der Bundesregierung / Nachbereitung der Wiener IAEA–Konferenz
Bonn (dpa/taz) - Der von Atomminister Wallmann gestern in die 1. Lesung des Bundestages eingebrachte Entwurf für ein Gesetz zum „vorsorgenden Schutz gegen Strahlenbelastung“ ist von SPD und Grünen heftig kritisiert worden. Wie berichtet (taz vom 1.10.) sieht das Gesetz vor, daß künftig allein die Bundesregierung einheitlich die Grenzwerte für radioaktive Belastungen festlegt. In der Regel solle dies zwar mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen, doch bei einer „Eilbedürftigkeit“ wegen eines Nuklearunfalls könnten die Grenzwerte ohne Zustimmung der Länder auf die Dauer von sechs Monaten von Bonn im Alleingang erlassen werden. Die Grünen–Abgeordnete Hönes sprach von einem „Informations– und Bewertungsmonopol“, das sich die Bundesregierung mit diesem „Notstandsgesetz“ sichern wolle. Für die Grünen ist das geplante Gesetz der „schwerwiegendste Eingriff in das Atom– und Strahlenschutzgesetz seit dessen Neuregelung in den 50er Jahren“. Die SPD–Sprecher, Roth und Lennartz, warfen Wallmann vor allem vor, daß die Länder an diesem Gesetzesvorhaben in keiner Weise beteiligt worden seien. Auch der Berliner Rechtsanwalt und Spezialist für Umweltrecht, Reiner Geulen, erneuerte gegenüber der taz seine Kritik: Über neue Dosiswerte und andere Berechnungsverfahren werde die zulässige Strahlenbelastung um das Zigfache erhöht. In einer Presseerklärung wies Geulen darauf hin, daß in Artikel 2 des Gesetzentwurfs eine Einschränkung des Grund rechts auf körperliche Unversehrtheit ausdrücklich vorgesehen sei. Wallmann und der frühere Innenminister Baum (FDP) verteidigten den Gesetzentwurf, der nach offizieller Sprachregelung das Wirrwarr um Strahlendaten und Grenzwerte beenden soll. Wallmann bringt Höffner auf Linie Umweltminister Wallmann berichtete in der Debatte auch über sein „eindrucksvolles“ Gespräch mit Kardinal Höffner. Das Gespräch war nach den atom–kritischen Äußerungen des Kardinals, der einen schnellstmöglichen Ausstieg gefordert hatte, zustandegekommen, um den Dissens zwischen Kirche und CDU zu kaschieren. Wallmanns Erfolgsmeldung: Höffner habe ihm zugestimmt, daß ein isolierter nationaler Ausstieg keine Lösung sei. Die IAEO–Konferenz von Wien bewertete Wallmann nachträglich als Erfolg und „wichtigen Schritt zu einem Höchstmaß an Sicherheit“. Wolfgang Roth (SPD) erklärte dagegen, in Wien sei nichts passiert, was die Nutzung der Atomenergie in der Welt „auch nur ein Jota sicherer“ mache. So sei keinerlei verbindliche Konvention über verbesserte Sicherheitsstandards erreicht worden. Ihren Höhepunkt erreichte die Debatte mit dem Bekenntnis Wallmanns, daß ein Ausstieg aus der Atomenergie im Interesse der Schonung fossiler Ressourcen und im Blick auf die Dritte Welt nicht verantwortbar sei. -man–
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