: Gänsebrigaden auf Patrouille für US–Armee
■ Gänse bewachen US–Raketenbasen in der BRD / Ein ähnlicher Versuch der holländischen Armee vor 20 Jahren scheiterte
von Daniel Charles
Im Kampf gegen den Terrorismus ist der US–Army jedes Mittel recht. Im September begann die Stationierung der neuesten Waffe gegen Bombenleger und Saboteure. Gänsebrigaden gehen auf Patrouille, um die Sicherheit aller möglichen Militäranlagen in der Bundesrepublik zu gewährleisten. Der Einfall kam Generalmajor Victor J. Hugo beim Fernsehen, nämlich bei einer Sendung über die Gänse, die seit 1959 die Whisky–Destillerie von Ballantines in Schottland bewachen. Hugo, Befehlshaber des Air Defense Kommandos Nr. 32, und somit zuständig für sämtliche Flugabwehrwaffen der US–Amerikaner in Westdeutschland, schloß offenbar messerscharf, wer in Schottland Whisky bewacht, kann auch Bomben und Raketen in Deutschland beschützen. Nachdem ein Spähtrupp unter Captain David Thomas die Ballantine–Gänse aus nächster Nähe inspiziert hatte, gab Hugo den Befehl, die ihm unterstellten Militärbasen durch das lautstarke Federvieh abschirmen zu lassen. Nicht ahnend, daß die niederländische Armee vor 20 Jahren einen ähnlichen Versuch mit Gänsepatrouillen unternommen hatte, bestellte das Air Defense Kommando Nr. 32 bei dem deutschen Bauern Ralf Schuchmann 18 Probegänse. Schuchmann läßt, wie die amerikanische Militärzeitung „Stars and Stripes“ berichtet, seine Gänse von Truthähnen bewachen. Mit Truthähnen ginge es, wie Armeesprecher Major Philipp Soucy zugibt, wahrscheinlich genauso gut - sie sind bloß teurer. Als nächstes führte das Air Defense Kommando Nr. 32 ein intensives Forschungsprogramm durch, um für die gefiederten Kameraden ein „optimiertes Stationierungskonzept zu entwickeln“, so Major Prevost, Armeesprecherin Darmstadt. Wissenschaftliche Experimente mit Gänseställen unterschiedlicher Dimensionen und Gänsepopulationen verschiedener Größe sollten Erkenntnisse über eine angemessene Männchen/Weibchen–Proportion und über das gänsespezifische „Revierverhalten“ liefern. Von September an sollen 900 Schuchmannsche Gänse - 750 davon weiblichen Geschlechts - von der Armee dienstverpflichtet und in Militärbasen im gesamten westdeutschen Raum stationiert werden. Die Armee hat ausgerechnet, daß sich mit den Gänsen eine Menge Geld sparen läßt. So eine Gans kostet 25 Dollar, verpflegt sich selbst, braucht keine Ausbildung und lebt 25 bis 30 Jahre lang. Demgegenüber kosten die neuen „Patriot“–Raketen des Air Defense Kommandos Nr. 32 fast 300.000 Dollar pro Stück. Rakete wie Radar werden veraltet sein, noch ehe die jetzige Generation der zu ihrem Schutz abgestellten Gänse ihren letzten Schnatterer tut. Die Gänse machen ein Höllenspektakel, sobald man ihnen nahekommt, und das mobilisiert die wachhabenden Menschen. In Vietnam wurden sie laut Major Soucy mit großem Erfolg zum Schutz von Brücken gegen Gueril la–Angriffe eingesetzt. Darüber hinaus sind Gänse, wie er meint, „nicht bestechlich“, was ja bei Hunden manchmal vorkommt. Wie es scheint, kommen Gänse jetzt in Mode. Auch die Air Force plant, Major Soucy zufolge, ein paar Wachgänse zu ordern. Hätte General Hugo sich bei den Holländern kundig gemacht, so wäre er von seinem Vorhaben wohl wieder abgekommen. Nach Angaben von Generalleutnant G.C. Berkhof, heute Stabschef im NATO–Hauptquartier „Alliierte Streitkräfte Mitteleuropa“, waren die holländischen Versuche mit Geese Security Squads (GSS) „ein Schlag ins Wasser“. Anfang der sechziger Jahre hatte ein nicht mehr ganz junger holländischer Generalmajor sich besonnen, daß Gänse die Römer im Jahre 390 (v.u.Z.) einmal vor einem gallischen Angriff gewarnt hatten. Daraus entstand die Idee, daß Gänse mit ihrem „günstigen Input–Output–Verhältnis“ zur Lösung der angespannten Personal– und Finanzsituation im zentralen NATO–Bereich beitragen könnten. Berkhof gesteht, damals selbst „nicht sonderlich beeindruckt“ gewesen zu sein „von der Leistung einiger Militärangehörighen, die in zweihundertfünfzig Jahren einmal das Forum Romanum gerettet hat“. Aber der nicht mehr ganz junge General befahl ihm, die GOOSES (Goose Operational and Strategic Effectiveness Study) trotzdem voranzutreiben. Hier verliert sich die Erzählung von General Berkhof - wie er selbst zugibt - ein wenig in der „dunklen Welt der Akronyme“; er entwarf nämlich einen Einsatzplan für GCCCOONS oder auch GOONS (Geese Command, Controll and Communications, Organization, Operations, Navigations and Security), GOAT (Goose Operators Advanced Training) sowie die GSS–Unterstützungstruppen, im Regelfall bestehend aus „einem einsatzfreudigen Infanterie–Offizier im Ruhestand, ausgerüstet mit einer Trillerpfeife und einem Gummiknüppel“. Bei Routinekontrollen fielen diesem Offizier große, rote ballonartige Häufchen auf, die laut Berkhof zum Teil „mit einem explosionsartigen Knall ausgeschieden wurden“. Als Verursacher dieser anomalen Häufchen wurden ein paar Soldaten ermittelt, die „den Biestern in dem verzweifelten Bemühen, endlich einmal Ruhe vor ihnen zu haben, Kaugummi zu Fressen gegeben hatten“. Die niederländische Armee gab das Projekt schließlich auf. Wie Berkhof sagt, kümmerten sich die Gänse anscheinend nur um einen Teil ihres militärischen Einsatzgebietes, der Rest war ihnen egal. Immer wieder gab es Fälle von Fahnenflucht, und diesem Trend ließ sich „auch durch eine exemplarische öffentliche Hinrichtung (durch den Strang) nicht entgegenwirken“. Und schließlich waren die Gänse, wie Berkhof berichtet, „unter ABC–Bedingungen absolut nicht zu gebrauchen“. Dafür schmeckten sie allerdings bei Abschluß des Testprogramms vorzüglich - „der beste militärische Verwendungszweck für sie“, wie General Berkhof befand. Übersetzung: Gertraude Krueger; aus: The Nation
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