: Neue Initiative gegen § 218
■ Alice Schwarzer lanciert Verfassungsklage und Manifest in Vorwahlkampf / Abtreibungsparagraph ist überflüssiges Gesetz / Grünen–Abgeordneter Ströbele befürchtet juristisches Eigentor der Kampagne
Aus Frankfurt Heide Platen
Sie verstehe die Initiative zur Verfassungsklage gegen den Abtreibungsparagraphen 218 vor allem politisch, sagte Alice Schwarzer gestern auf einer Pressekonferenz auf der Frankfurter Buchmesse. Die Herausgeberin der Zeitschrift Emma stellte ihr Manifest „Weg mit dem § 218“ vor, das sie zusammen mit sieben Mitunterzeichnerinnen und einem Unterzeichner als Buch veröffentlicht hat. „Juristisch“, sagte Alice Schwarzer, „glauben wir nicht daran, daß der Verfassungsgerichtshof neutral Recht spricht.“ Auf diesen Sieg zu setzen sei „politisch naiv“. Es komme jetzt vielmehr darauf an, offensiv zu werden, um einer von der CDU gewollten Verschärfung des Paragraphen entgegenzuwirken. Sie kritisierte außerdem SPD, Grüne und FDP, die es teils vorzögen, im derzeitigen politischen Klima des Vorwahlkampfes das Thema „218“ eher niedrig zu halten. Auch die hessische grüne Staatssekretärin für Frauenfragen, Marita Haibach, wandte sich gegen Männer in ihrer eigenen Partei, die versuchten, die Frauen „zu beschwichtigen“. Haibach: „Die Parteien wollen sich derzeit nicht äußern.“ Der Jurist Prof. Ulrich Klug wies darauf hin, daß die Indikationenlösung nicht das erfüllt habe, was das derzeitige Gesetz intendiert habe. Die Zahl der Abtreibungen seien nicht gesunken. Auch deshalb sei seine Verfassungsmäßigkeit anzuzweifeln. Daß der § 218 ein Gesetz sei, das sich erübrige, stellte auch Melitta Walter von Pro Familia fest. Zehn Jahre Erfahrung mit diesem Paragraphen hätten gezeigt, daß eine Reglementierung der Frauen keinen Einfluß auf die Abtreibungszahlen habe. In dem gemeinsamen Aufruf zur Verfassungsklage, der vor allem an die Parteien gerichtet ist, heißt es dazu: „Ungewollte schwangere Frauen treiben ab - egal, was sie glauben und denken“, quer durch alle Parteien und Konfessionen. Alice Schwarzer bedauerte, daß der Widerstand der Frauenbewegung erlahmt sei, obwohl sie sich in den letzten Jahren vergrößert habe. Jüngere Frauen könnten nicht einschätzen, wie drastisch sich ihre Situation verschlechtern werde, wenn der § 218 wieder verschärft werde. Die Frauen müssen gegen die „demütigende Situation“ vorgehen, in die sie immer noch kommen, wenn sie abtreiben wollen: „Sie müssen immer noch darum bitten.“ Eine äußerst kritische Antwort auf das Manifest formulierte inzwischen Christian Ströbele (MdB/Grüne) in einem offenen Brief an Emma. Darin wird die „dringende Bitte“ an die Initiatorinnen ausgesprochen, ihr Vorhaben zu überdenken, „um Schlimmeres zu vermeiden“. Denn das Bundesverfassungsgericht werde sich nicht zu einer „Kehrtwendung“ zugunsten der Frauen entschließen. Im Gegenteil müßte befürchtet werden, so Ströbele, daß die jetzige Fassung des § 218 dem Gericht noch nicht weit genug gehe. Statt „irrige Hoffnungen“ auf eine Verfassungsklage zu setzen, sollten die Emma–Frauen lieber Gesetzinitiativen wie das Anti–Diskrimierungsgesetz der Grünen zur Streichung des § 218 unterstützen.
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