Kohl beschwört Harmonie

■ Beim Bundesparteitag der CDU schont Kohl seine Koalitionspartner CSU und FDP Kritik richtet sich vor allem an die SPD / Plädoyer für die deutsche Einheit

Aus Mainz Oliver Tolmein

Als Franz Josef Strauß kurz vor 16 Uhr den Plenarsaal der Rheingoldhalle betrat, empfing ihn ein Großteil der Delegierten des CDU–Bundesparteitags mit begeistertem Applaus. Rudolf Luster, der gerade über die Arbeit der CDU/CSU–Gruppe im Europäischen Parlament berichtete, mußte des bayerischen Landesfürsten wegen seine Rede vorübergehend unterbrechen. Der Beifall für Strauß paßt ins versöhnliche Bild, das der Parteitag bietet: So polemisch und heftig der CDU–Parteivorsitzende Kohl und der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Dregger gegen die SPD polemisierten, so beredt sie zur FDP schwiegen - so sehr bemühten sie sich den verschiedenen Gruppen innerhalb der Partei Zugeständnisse zu machen. Helmut Kohl tönte in seiner etwa einstündigen Rede - überschrieben: „Nach guter Arbeit - die Zukunft im Blick“ - deutschnational und stimmte in den Chor der entschiedenen Abtreibungsgegner ein, verzichtete aber auf die Forderung nach Änderung des Grundrechts auf Asyl und dankte auch Zivildienstleistenden für ihre Pflichterfüllung. Im Wahlkampf, so Kohl, müsse die CDU klar machen, daß sie für die „Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, eine familienfreundliche Gesellschaft und für die Sicherung von Frieden und Freiheit“ stehe. Ohne die „Politik der Partnerschaft mit den USA“ und die guten Kontakte zur Sowjetunion wäre es weder zur Neuauflage der Genfer Verhandlungen zwischen Sowjetunion und den USA noch zum Gipfeltreffen zwischen Reagan und Gorbatschow in Reykjavik gekommen. Für die Zukunft gelte es, die „neue Wertediskussion“ zu forcieren: „Wir müssen alles tun, um die erschreckend hohe Zahl der Schwangerschaftsabbrüche unter Berufung auf eine soziale Indikation drastisch zurückzudrängen.“ Die CDU werde auch weiterhin gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt angehen, aber auch „dem Mißbrauch des Asylrechts durch kriminelle Schlepperorganisationen Einhalt“ gebieten. Eine wichtige Rolle werde in den nächsten Jahren Europa spielen, das ein drittes Zentrum neben den Weltmächten in der internationalen Politik werden soll. Im übrigen biete es die Chance, „die Einheit Deutschlands in der Einigung Europas zu vollenden“. An konkreten Vorhaben kündigte Kohl einen Ausbau des Erziehungsgelds und eine Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeldzuschlag an. Ein wichtiges Vorhaben sei auch, die „starren Grenzen des Ruhestands aufzulockern“. Fortsetzung auf Seite 2 „Wer gerne möchte, soll auch länger arbeiten und dann auch eine höhere Rente erhalten“. Geplant sei auch eine Steuerreform unter dem Motto „Leistung muß sich wieder lohnen“, die nicht nur einen durchgehend linear–progressiven Einkommensteuertarif einführen werde, sondern auch eine Erhöhung des Grundfreibetrags und eine Senkung der Unternehmensbesteuerung. Seine Partei beabsichtige zudem ein „einfaches, bürgernahes Steuersystem mit weniger Ausnahmen“. Am 25. Januar, so beendete Kohl seine Rede, gehe es um eine Entscheidung auch über die „Zukunft unserer Kinder und Enkel. Tun wir unsere Pflicht!“. Die Delegierten, die zwischendurch mäßig begeistert immer mal wieder klatschten, erfüllten die ihre und applaudierten eine Minute und 30 Sekunden lang. Noch leidenschaftsloser wurde Dreggers Rechenschaftsbericht von der Fraktionsarbeit aufgenommen. Den „Schutz des ungeborenen Lebens“ und der „Schutz der deutschen Nation und zwar der ganzen deutschen Nation“ stellte er ins Zentrum seines Beitrags, in dem er die Vaterlandsliebe als „sittliche Pflicht“ postulierte. Die CDU sei „die Sicherheitspartei Deutschlands“, sie stehe für „Rentensicherheit, Versorgungssicherheit, innere Sicherheit und äußere Sicherheit“. Bei soviel rechten Tönen klang das Zugeständnis, seine Partei wolle keine Partei der „Kernkraftfetischisten“ sein, schon fast moderat. Noch dramatischer sieht Franz Josef Strauß, dessen mit launigen Wortspielen gespickte Rede auf ein begeistertes Echo stieß, die Entscheidung 1987: „Angesichts dessen, was sich bei dieser Wahl gegenübersteht, muß man von einer Schicksalswahl sprechen“. Strauß, der als einziger Redner ohne vorbereitetes Manuskript sprach, sieht nicht die leiseste Chance, daß „König Johann ohne Land“ mit den Stimmen der Grünen Kanzler werde, geschweige denn ohne deren Hilfe. Wer weiter „in Ruhe arbeiten und in Frieden schlafen will, ohne zu befürchten, daß der große Bruder durch den Zaun kommt“, müsse CDU/CSU wählen. Strauß beschwor angesichts der geostrategischen Lage die Notwendigkeit einer Bindung an die USA: „Obwohl ich weiterhin für die Schaffung einer europäischen Nuklearmacht bin“. Auf die Konflikte zwischen CDU und CSU um das Wahlprogramm und auf den Streit um die Grundrechtsänderung wegen des Asylrechts ging Strauß nicht ein. Er unterließ auch Attacken gegen die FDP.