: Münchner Thron von König Strauß wackelt leicht
■ Morgen wird in Bayern der Landtag gewählt / Die CSU muß mit Verlusten rechnen / FJS hat die 55 (Prozent) zur „heiligen Zahl“ erklärt / Grüne auf dem Sprung ins Maximilianeum / FDP ringt um Fünf–Prozent–Hürde / Rechtsextremer Außenseiter
Aus München Ellen Hofmann
Seit 1962 regiert in Bayern die CSU mit absoluter Mehrheit, und das wird auch nach dieser Landtagswahl so sein. Trotzdem gibt es Gründe, die Ergebnisse am Sonntagabend mit einiger Spannung zu erwarten. Die CSU, die vor vier Jahren 58,3 Prozent der Stimmen bekam, muß diesmal mit Verlusten rechnen. Der fortschreitende Ruin der bäuerlichen Landwirtschaft, die Irrationalität, mit der die Folgen von Tschernobyl verharmlost und die Atomprojekte verteidigt werden, das zwischen Nord– und Südbayern bestehende Wirtschaftsgefälle und eine bis in den letzten Winkel reichende Filzokratie haben Unmut im Land verursacht. CSU bietet sich an In einem Interview mit der Münchner Abendzeitung hat Strauß die 55 Prozent–Marke als die für ihn persönlich „heilige Zahl“ bezeichnet und damit der Scheidung von Sieg und Niederlage die höheren Weihen erteilt. Schon ihres künftigen Gewichts in Bonn wegen kämpft die CSU um jede Stimme. So hat die Regierungspartei für die Bauern einiges Geld lockermachen können, was allerdings an der strukturellen Krise der Landwirtschaft nichts ändert. Auch sonst bemüht man sich um gute Nachrichten: Sechs Tage vor der Wahl wurde die Kredittilgung der angeschlagenen Maxhütte für ein Jahr ausgesetzt. Im Bayernmagazin des Bayerischen Rundfunks wurde ein Staatssekretär aus dem Umweltministerium ausführlich über den Aufschwung befragt, den die Wirtschaft in der Oberpfalz genommen hätte. Und in dieser Woche erhielt der Ministerpräsident für seine Verdienste um den Sport, vor allem um die Weiterführung des Sportstättenbaus, die höchste Auszeichnung des Bayerischen Landessportverbandes. SPD gewinnt Format Das von drei Jahrzehnten Opposition geprägte Image der bayerischen SPD verbessert sich langsam. Schon von der Statur her kann es der neue Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzende, der Er langer Rechtsanwalt Karl–Heinz Hiersemann, mit Franz Josef Strauß aufnehmen. Hiersemann, dessen persönliches Motto „Nie aufgeben“ heißt, beackerte das Land im sprichwörtlichen Sinn: Er bestritt über 600 große Wahlkampfveranstaltungen. Hiersemann will vor allem die Opposition stärken, „um den Machtwechsel wieder in den Bereich des Möglichen zu rücken“. Ihr bestes Ergebnis erreichte die weiß–blaue Sozialdemokratie in der Aufbruchsstimmung der Bundestagswahlen 1972 mit 37,8 Prozent. Bei den letzten Landtagswahlen erreichte sie 31,9 Prozent. Neu ist, daß die SPD die Agrarpolitik für eine zentrale Herausforderung hält und eigens acht Bauerntage im Wahlkampf abgehalten hat. Tricks gegen Grüne Gegen Angriffe unterhalb der Gürtellinie kann man sich nicht leicht zur Wehr setzen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Regierungspartei - die CSU - jedes Gespräch mit Parteien vermeidet, die sie in ihrem Alleinvertretungsanspruch herausfordern. So war es in diesem Wahlkampf unmöglich, CSU–Vertreter als Diskussionspartner zu gewinnen, wenn auch Grüne auf dem Podium saßen. So griffen die Grünen erfolgreich zu juristischen Mitteln, als ihnen in Zeitungsanzeigen vorgeworfen wurde, sie seien für „Massenvernichtung“, weil sie die Streichung des § 218 fordern, über verletzte Polizisten jubeln würden und Kommunisten auf ihrer Liste hätten. Obwohl das gerichtliche Verbot derartiger Äußerungen durch einen Trick unterlaufen werden kann - Tatsachenbehauptungen werden zu Meinungsäußerungen umformuliert -, konnte die zeitliche Verzögerung die Kampagne einigermaßen abbiegen. Von einem differenzierten Verhältnis zu Teilen der katholischen Kirche sprach der Grünen– Spitzenkandidat in Niederbayern, Paul Kestel. Es gelinge dort, langsam klarzumachen, daß es in der Frage des § 218 um die Würde der Frau und Mutter gehe und daß die Diskussion von dem Gegensatzpaar Abtreibungsgegner–Abtreibungsbefürworter falsch bestimmt sei. Als Verbündete der Grünen bezeichnete Kestel die Kirchen in der Asyl–Frage. Wie die katholische Nachrichtenagentur diese Woche mitteilte, wurden in zwei Klöstern der Erzdiözese München–Freising über hundert Asylbewerber aufgenommen. Ob sich die von Staatsregierung und CSU angeheizte Fremdenangst so direkt in Prozentpunkte umsetzt,. wie CSU–Generalsekretär Tandler (“Das bringt uns 60 Prozent“) das kalkuliert hatte, bleibt abzuwarten. Obwohl die Erinnerung an die Bedrohung durch Tschernobyl bei vielen Wählern schon wieder verblaßt ist und die Wahlkampf–Bedeutung der WAA mit zunehmender Entfernung von der Oberpfalz auf dem Land stark nachläßt, sind die Grünen sicher, daß sie diesmal in den Landtag einziehen werden. Vor vier Jahren hatten sie die Fünf–Prozent–Hürde um 30.000 Stimmen knapp verpaßt. Zur Bildung einer Fraktion - und nur eine Fraktion kann Vertreter in Ausschüsse entsenden - schreibt die Geschäftsordnung allerdings mindestens zehn Mandate vor. Dafür bräuchten die Grünen etwas mehr als sechs Prozent. Um der FDP die parlamentarische Arbeit sauer zu machen, wurden die Voraussetzungen für den Fraktionsstatus so hoch gehängt. Bayern–FDP ohne Profil Die FDP war das letzte Mal 1978 mit acht Mandaten vertreten. Chancen werden ihr am Sonntag kaum eingeräumt, weil das einzig durchschlagende Wahlkampfargument, nämlich die Stärkung der FDP in Bonn, nicht für fünf Prozent in Bayern gut ist. Mit Spannung erwartet werden darf das Abschneiden der „Republikaner“ des Ex–Journalisten und SS–Mannes Franz Schönhuber, der durch sein Bekenntnis– und Erinnerungsbuch „Ich war dabei“ erst richtig berühmt geworden ist. Er betreibt am rechten Rand eine Sinnstiftung eigener Art, die - gewissermaßen durch den Waldheim–Effekt - die Etablierung einer politischen Kraft zur Folge haben könnte. Deutschnationale Töne, die Entsorgung der Vergangenheit und als Schwerpunkt die Asylantenfrage haben seinen Veranstaltungen reichlich Publikum mit leuchtenden Augen gebracht.
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